Steigende Coronazahlen: Klare Regeln für Feste gefordert

Berlin – In Deutschland sind bundesweit einheitliche Regeln für Feste und Partys nötig, um die weitere Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen. Das hat der Marburger Bund (MB) angemahnt.
„Um Ansteckungsrisiken auch im Herbst und Winter zu verringern, sollten sich die Länder bald auf einheitliche Regeln für private und öffentliche Feiern aller Art verständigen“, sagte die MB-Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke Mediengruppe heute.
Wichtig seien etwa Obergrenzen für Gäste und Konzepte fürs Lüften. Das Hotel- und Gaststättengewerbe rief zu Disziplin auf, um einen erneuten Lockdown zu verhindern.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuvor darauf hingewiesen, dass Feierlichkeiten neben den Ansteckungen durch Reiserückkehrer zu den größten Gefahrenquellen in Deutschland zählten. Deshalb müsse man mit den Ländern noch einmal über die Grenzen und Regeln für Veranstaltungen reden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte laut Bild in der Präsidiumssitzung ihrer Partei: „Man muss die Zügel anziehen, um bei Corona nicht in ein Desaster reinzulaufen.“ Das Zitat wurde dem Sinn nach bestätigt.
In den Bundesländern gelten ganz unterschiedliche Regelungen. Zum Teil sind inzwischen wieder Innenveranstaltungen mit mehreren hundert Teilnehmern erlaubt. Das sieht auch der Marburger Bund kritisch. „Je größer die Zahl der Feiernden gerade in geschlossenen Räumen ist, desto wahrscheinlicher ist ein Mensch dabei, der die anderen ansteckt“, warnte Johna.
Wenn die Infektionszahlen wieder stark stiegen, seien 150 Gäste bei einer Familienfeier oder einer Party in Innenräumen zu viel. Viele seien sorglos, weil sie auf die hohe Quote der Genesenden schauten.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) appellierte an die Vernunft von Wirten, Personal und Gästen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund rief zu einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung auf, um einen erneuten Lockdown zu verhindern.
Innerhalb eines Tages haben die Gesundheitsämter in Deutschland 1.390 neue Infektionen mit SARS-CoV-2 gemeldet, wie das Robert Koch-Instituts (RKI) heute meldete. Damit liegt die Zahl wieder deutlich über der Schwelle von 1.000. Der Höhepunkt bei den täglich gemeldeten Neuansteckungen hatte Anfang April bei mehr als 6.000 gelegen.
Die Zahl war nach den immer noch über 1.000 liegenden Werten im Mai in der Tendenz gesunken, seit Ende Juli steigt sie wieder. Experten zeigen sich besorgt, dass es zu einem starken Anstieg der Fallzahlen kommen könnte, der die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Ansteckungsketten an ihre Grenzen bringt.
Seit Beginn der Coronakrise haben sich mindestens 225.404 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus infiziert, wie das RKI meldete (Datenstand 18.8., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Coronainfektion liegt nach RKI-Angaben bei 9.236. Seit dem Vortag wurden vier Todesfälle mehr gemeldet.
Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen in Deutschland laut Mitteilung von gestern bei 1,11 (Vortag: 1,21). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel etwas mehr als einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.
Zudem gibt das RKI einen sogenannten Sieben-Tage-R an. Er bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert am Montag bei 1,04 (Vortag: 1,13). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor acht bis 16 Tagen.
Hohe Quote bei Reiserückkehrern
Dass die Reiserückkehre neben Feierlichkeiten eine Rolle bei den Infektionszahlen spielen, verdeutlichen Zahlen aus Baden-Württemberg. Nach Angaben des baden-württembergischen Landesgesundheitsamtes (LGA) stammt jede vierte registrierte Infektion mit dem Coronavirus der vergangenen rund zwei Monate aus dem Ausland und von Urlaubern.
Seitdem die Reisewarnung für die EU-Länder und einige weitere europäischen Staaten Mitte Juni aufgehoben worden sei, seien insgesamt 895 entsprechende Infektionen mit SARS-CoV-2 übermittelt worden (Stand 17. August), teilte das LGA mit. Bei insgesamt fast 3.400 Fällen seit Mitte Juni erreichte der Anteil 26 Prozent. Vor einer Woche (12.8.) lag die Zahl noch bei 620 Fällen, was einem Anteil von 21 Prozent entspricht.
Die meisten Fälle (23 Prozent) gehen auf den Kosovo als Infektionsland zurück. Weitere etwa 15 Prozent stammen aus Kroatien, wo die Zahl der erkrankten Urlauber innerhalb einer Woche deutlich gestiegen ist.
Urlauber aus Coronarisikogebieten müssen sich bei der Rückkehr nach Deutschland auf das Virus testen lassen. Aktuell ist dies kostenlos möglich. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigt diese Regelung, weil kostenpflichtige Tests von manchen Reisende möglicherweise vermieden werden könnten.
Dagegen fordert unter anderem der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), dass sich Reiserückkehrer aus Risikogebieten an den Kosten für die Coronatests mindestens beteiligen müssten.
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