Vermittlungsausschuss einigt sich bei Transparenzgesetz: Mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds

Berlin – Bund und Länder haben ihren Streit um das Transparenzgesetz gestern am späten Abend beigelegt. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat kamen sie nach der Änderung der Protokollnotiz durch die Bundesregierung überein. Einer Beschlussfassung im Bundesrat stehe nun nichts mehr im Wege, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Kern der Einigung ist die Festlegung auf einen „Transformationsfonds“ mit Blick auf eine geplante große Krankenhausreform. Dieser Fonds soll ab 2025 für die nächsten zehn Jahre mit 50 Milliarden Euro gefüllt werden.
Die Summe teilen sich Bund und Länder jeweils zur Hälfte. Allerdings finanziert der Bund seinen eigenen Anteil aus dem Gesundheitsfonds, der wiederum aus den Geldern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gespeist wird. Zudem ist eine Anpassung der Landesbasisfallwerte vorgesehen, die die Kliniken insbesondere bei Tariflohnsteigerungen entlasten sollen.
Kritik von den Krankenkassen
Insbesondere die Krankenkassenverbände kritisieren diesen Griff in den Fonds: „Ein Rückgriff auf Mittel der Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung wäre ein Etikettenschwindel", erklärte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes.
Sie bemängelte ebenso die Erhöhung der Landesbasisfallwerte, die die Bundesregierung zum 1. Juli hin zugesagt hat: „Es ist inhaltlich falsch und unnötig teuer für die Beitragszahlenden, dass diese veralteten Strukturen nach dem Gießkannenprinzip gefördert werden sollen. Denn nichts anderes ist die geplante Erhöhung der Landesbasisfallwerte."
Jürgen Hohnel, Geschäftsführer des IKK e.V., stößt sich ebenfalls an den Plänen. „Damit zahlen wieder einmal die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler die dringend notwendigen, aber trotz primärer Zuständigkeit von den Ländern bislang vernachlässigten Investitionen. Das kann noch nicht das Ende der Diskussion sein“, sagte er.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, begrüßte die Einigung zwischen Bund und Ländern. Allerdings betonte auch sie, dass der Bundesanteil des Transformationsfonds aus Steuermitteln bereitgestellt werden müsste.
„Eine Finanzierung aus dem Gesundheitsfonds, also aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung, wäre dagegen nicht in Ordnung. Denn das würde bedeuten, dass Arbeitgeber und GKV-Versicherte erneut für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe geradestehen müssten, die nichts mit der Finanzierung der Betriebskosten zu tun hat.“ Außerdem würde die Beteiligung der gutverdienenden Privatversicherten fehlen. Eine solche Einigung zulasten der GKV-Versicherten wäre nicht akzeptabel, betonte Reimann.
Wenig überzeugend findet sie zudem die geplante Anhebung der Landesbasisfallwerte, die die Finanzlage aller Kliniken per Gießkanne verbessern würde. Stattdessen brauche es mehr Zielgenauigkeit. Die Wirkungen der Maßnahmen zur Liquiditätssteigerung aus dem Krankenhaustransparenzgesetz sollten zunächst abgewartet und eine Systematik für zielgenaue Förderungen entwickelt werden, so Reimann.
Krankenhäuser und Ärzteschaft befürchten Bürokratie und Insolvenzen
Kritik kam auch vonseiten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Angesichts der wirtschaftlichen Notlage der Krankenhäuser habe die Mehrheit im Vermittlungsausschuss aus Bundesregierung und SPD-Ländern die Chance verpasst, der Insolvenzwelle in der Krankenhauslandschaft wirksam entgegenzutreten, monierte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß.
Die bloße Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, dass die Landesbasisfallwerte für das laufende Jahr erhöht werden sollten, um die Erlöse der Kliniken an die inflationsbedingt gestiegenen Kosten anzupassen, sei eine wertlose Beruhigungspille für die Krankenhäuser, so Gaß weiter. Es bleibe auch nach dem Vermittlungsausschuss völlig unklar, wie der sich täglich verschärfende kalte Strukturwandel gestoppt werden solle.
Es reiche zudem nicht aus, lediglich Tariflohnsteigerungen über den Landesbasisfallwert abzubilden. Es brauche deutlich höhere Anpassungen, um die Kliniken zu stützen, forderte Gaß. Den angekündigten Transformationsfonds begrüßte er hingegen. Jedoch müssten schnell Fakten geschaffen werden, denn die Krankenhausträger stünden in den Startlöchern, um ihre Zukunftsprojekte zügig zu beginnen, so Gaß.
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, kritisierte die in seinen Augen durch das Transparenzgesetz entstehende zusätzliche Bürokratie. „Während Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern dringend auf eine Entlastung von unnötiger Bürokratie und echte Strukturreformen warten, setzt der Bundesgesundheitsminister als erste Maßnahme im Vermittlungsausschuss einen Gesetzentwurf durch, der die bürokratische Belastung weiter erhöht“, sagte Reinhardt.
Das geplante Verzeichnis bringe für die Patientinnen und Patienten kaum Verbesserungen, denn die dort vorgesehenen Informationen seien schon jetzt weitgehend über die etablierten Register wie die Weiße Liste oder das Deutsche Krankenhausverzeichnis abrufbar, so Reinhardt.
Er appellierte zudem Bund und Länder ihrer finanziellen Verantwortung gerecht zu werden. „Dass der Bund seinen Anteil nun offenbar vollständig auf die GKV-Beitragszahler abwälzen will, ist kein Ausdruck der erforderlichen Verantwortungsbereitschaft“, monierte Reinhardt. Er forderte Bund und Länder zudem auf, gemeinsam bei der weiteren Krankenhausreform an einem Strang zu ziehen.
„Der notwendige Konsensprozess darf nicht durch einseitige Vorfestlegungen behindert werden. Bund und Länder haben verabredet, die neue Planungssystematik (Leistungsgruppen) gemeinsam weiterzuentwickeln und dabei auch die Ärzteschaft und die weiteren Akteure der Selbstverwaltung einzubinden“, betonte Reinhardt. Dies dürfe der Bund nicht dadurch unterlaufen, dass er das Transparenzgesetz nutze, um sich bereits vorab und einseitig die Definitionsmacht über die Leistungsgruppen zu sichern.
Ankündigungen des Bundesgesundheitsministers seien „noch lange keine in Gesetz gegossene Politik, wie wir in den vergangenen zwei Jahren häufiger erleben mussten“, sagte Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB). „Beruhigungspillen ersetzen keine stringente Politik.“ Deshalb müssten den finanziellen Zusagen für die Krankenhäuser nun schnell Taten folgen. „Wir brauchen einen Transformationsfonds, der sich an den tatsächlichen Versorgungsnotwendigkeiten vor Ort orientiert“, sagte sie.
Ambulanten Bereich mitdenken
Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa), merkte zudem die notwendige Berücksichtigung des ambulanten Sektors im Zuge der Reform an. Die dringend notwendige Transformation der stationären Versorgungsebene werde zwingend eine Verlagerung der ärztlichen Leistungen in die ambulante Versorgungsebene zur Folge haben, so Heinrich.
„Eine wahrhaftige Transformation kann also ohne Schaden für Patientinnen und Patienten nur gelingen, wenn der niedergelassene Bereich in der Lage ist diese Verlagerungen auch aufzufangen. Daher müssen alle ambulanten ärztlichen Leistungen von den Beschränkungen, die durch die Budgetierung verursacht werden, befreit werden“, forderte Heinrich. Gleichzeitig müsse die notwendige Ambulantisierung an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung rapide ausgeweitet werden.
Aus den Kreisen der Ampelpolitiker kommt hingegen Lob für die Einigung im Vermittlungsausschuss: „Ich bin sehr erleichtert darüber, dass wir gestern im Vermittlungsausschuss zu einem Ergebnis gekommen sind“, erklärte Dagmar Schmidt (SPD), stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag.
„Ich freue mich nun darüber, gemeinsam mit den Ländern die Diskussion über die notwendigen Reformschritte fortsetzen zu können, um eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für die Zukunft sicherzustellen.“ Die zugesagten Finanzhilfen für die Kliniken seien ein wichtiger Schritt.
Der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Christos Pantazis, begrüßte das Ergebnis. „Besser spät als nie! Mit der nun getroffenen Einigung sowie dem avisierten 50 Milliarden Euro Transformationsfonds kann die Reform nun auf finanziell starke Beine gestellt werden“, so Pantazis.
Und weiter: „Ziel muss jetzt sein, die parteipolitischen Querelen abzulegen und sich gemeinsam auf das eigentliche Ziel einer tiefgreifenden Krankenhausreform zu konzentrieren, um eine krisensichere und zukunftsorientierte Versorgung für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.“
Bayern sieht keine Einigung
Für Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) gab es gestern allerdings keine Einigung im Vermittlungsausschuss: „Vielmehr wurde das Krankenhaustransparenzgesetz in unveränderter Fassung von der Ampelmehrheit gegen das Votum der Unions-Seite durchgedrückt,“ erklärte Gerlach in einer Mitteilung.
„Ich sehe die gestrige Sitzung des Vermittlungsausschusses zum Transparenzgesetz als eine vertane Chance für Lauterbach, wichtige Weichen für die Krankenhäuser in Deutschland gemeinsam mit allen Ländern zu stellen“, so die Ministerin weiter. Sie frage sich inzwischen „ernsthaft“, ob Minister Lauterbach an einem Konsens mit den Ländern interessiert sei. Aus ihrer Sicht wurde nichts „substanzielles“ zu den Fragen der künftigen Finanzierung der Krankenhäuser geäußert.
„Stattdessen kündigt Lauterbach einseitig einen Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro an, der nach seinen Vorstellungen zur Hälfte vom Bund – wahrscheinlich der gesetzlichen Krankenversicherung – und zur Hälfte von den Ländern gespeist werden soll. Diese Vorgehensweise bestätigt den Eindruck, dass Lauterbach an einer echten Zusammenarbeit mit den Ländern auf Augenhöhe kein Interesse hat“, so Gerlach weiter.
Der Bundesrat hatte das vom Bundestag beschlossene Transparenzgesetz im November zunächst gestoppt. Es soll einen Onlineatlas schaffen, der Patientinnen und Patienten Auskunft über bundesweit 1.700 Klinikstandorte gibt.
Zu erkennen sein soll in dem „Transparenzverzeichnis“, welches Krankenhaus welche Leistungen anbietet. Abrufbar sein sollen auch Daten zur Behandlungserfahrung, zum Personalschlüssel bei Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften sowie zu Komplikationsraten ausgewählter Eingriffe. Der Start des Portals ist weiterhin für den 1. Mai geplant, wie Lauterbach sagte.
Im Gesetz vorgesehen sind auch Regelungen zu zusätzlicher Liquidität in Milliardenhöhe für die Klinken. Es soll eine große Reform mit Neuregelungen zur Vergütung der Krankenhäuser begleiten, über die Bund und Länder seit Monaten verhandeln.
Beim vorläufigen Stopp des Gesetzes im Herbst hatten mehrere Länder kritisiert, dass es der geplanten großen Reform zuvorkommen würde. Sie monierten Eingriffe in ihre Hoheit für die Krankenhausplanungen.
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