Weiterbildung: Flexibilität, Vorbilder und mehr Geld gefordert

Berlin – Die Weiterbildung junger Ärztinnen und Ärzte verläuft in Deutschland nicht zufriedenstellend und muss verbessert werden. Zu diesem Ergebnis kam gestern die Pre-Conference zur intersektoralen Aus- und Weiterbildung, zu der die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eingeladen hatte.
Die Lösung liege demnach vor allem in gut umgesetzten und qualitativ hochwertigen Weiterbildungsverbünden, mehr Flexibilität und Freiheit zur Gestaltung der Weiterbildung sowie in Vorbildfunktionen, die die angehenden Ärzte begeistern können. Allerdings brauche es auch mehr Geld, um die Weiterbildung zu verbessern und um verstärkt finanzielle Anreize für Weiterbildungsbefugte zu setzen.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele Ärzte aus der Babyboomerzeit in den kommenden Jahren in Rente gehen werden und gleichzeitig deutlich weniger junge Menschen in den Beruf nachrücken, müssten letztere sehr gut ausgebildet werden, lautete der allgemeine Tenor der Veranstaltung. Zudem dürften angehende Ärzte durch schlechte Arbeitsbedingungen nicht abgeschreckt und dadurch aus der Versorgung gedrängt werden, hieß es.
„Oft ist die Weiterbildung derzeit nur Neben- oder Abfallprodukt“, monierte die Fachärztin für Urologie, Mira Faßbach vom Bündnis Junge Ärztinnen und Ärzte. Weiterbildungseingriffe fielen oftmals als erstes weg, wenn die Personalbesetzung in den Kliniken knapp werde, bemängelte sie.
Zudem müssten Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung oftmals viele nicht ärztliche Aufgaben übernehmen, sie seien „Back-up-Sekretärin“ oder „Laufjunge“, so Faßbach. Diese Belastung müsse reduziert werden, so würden gleichzeitig auch neue ärztliche Ressourcen geschaffen, forderte sie.
„Weiterbildung ist ein Zufallsprodukt“, bemängelte auch Marco Roos von der Universität Augsburg. Im Vergleich zu anderen Ländern gebe es hier kein strukturiertes Programm. Deshalb müsse die Weiterbildung besser an den Bedarf angepasst werden.
Außerdem braucht es mehr geschulte Weiterbildungsbefugte, die richtig anleiten könnten. „Da sind uns andere Länder weit voraus“, sagte Roos, der zudem Sektionssprecher für Weiterbildung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ist.
Neuseeland: Feste Integration der Weiterbildung in Karrierewege
Ein Beispiel, wie dieser Punkt besser funktionieren könnte, zeigte die Medizinstudentin Marlene Mörig von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) auf. Um in Neuseeland Oberarzt oder Oberärztin zu werden, müssten sich die Mediziner auch bezüglich der Weiterbildung engagieren. So sei die Weiterbildung direkt in das System integriert. „Davon profitieren alle“, erklärte Mörig, die dort ein Praktikum absolviert hatte.
Den Studierenden seien die Karrierewege nach dem Studium in Deutschland aber oftmals nicht klar, berichtete Mörig aus ihrem eigenen Umfeld. Einblicke in die einzelnen Fachbereiche müssten oftmals selbst im Rahmen von Praktika organisiert werden und würden erst durch Eigeninitiative zugänglich.
Angebote zur Weiterbildung müssten den Studierenden zugänglicher gemacht werden, sie sollten schon während der Ausbildung der angehenden Mediziner präsenter werden, forderte Henning Schettulat von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen.
Dafür müssten die einzelnen Stellen, die für die Weiterbildung verantwortlich seien, besser zusammenarbeiten. Damit dies gelingt, müssen die Beteiligten vor allem effektiver miteinander kommunizieren, betonte Faßbach.
Für Anke Schliwen von der KBV brauche es zudem eine möglichst frühzeitige Kommunikation bezüglich Informationen zum vertragsärztlichen Bereich an Studierende. Dazu gehören unter anderem strukturelle Informationen, wie die Bedarfsplanung im niedergelassenen Bereich geregelt ist, wie man an einen Kassensitz gelangen kann und welche Voraussetzungen dafür gelten.
Auch Henrik Herrmann, Vorsitzender der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der Bundesärztekammer (BÄK) und Präsident der Landesärztekammer Schleswig-Holstein forderte, dass die Weiterbildung eine klarere Struktur und einen höheren Stellenwert erhalte.
Weiterbildungsverbünde ausbauen
Bezüglich der Weiterbildungsverbünde brauche es ebenfalls einen besseren Überblick über Zuständigkeiten forderte eine Arbeitsgruppe des Kongresses. Ein Wunsch war eine länderübergreifende Bündelung, beziehungsweise Koordinierung der verschiedenen Weiterbildungsangebote an einer Stelle. Dies würde nicht nur den Netzwerken die Vorgänge erleichtern, die Weiterbildung würde somit auch für die Studierenden sichtbarer und zugänglicher werden.
Wichtig sei den Weiterzubildenden darüber hinaus flexible und freie Entscheidungsmöglichkeiten bezüglich der Durchführung der Weiterbildung, betonte die Medizinstudentin Hanna Kurz vom bvmd. Modelle wie etwa die Landarztquote schränkten die freie Berufswahl ein, kritisierte sie.
Zudem seien flache Hierarchien sowie das interprofessionelle Arbeiten im Team sehr wichtig für die künftigen Generationen. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ein einfacheres Wiedereinsteigen nach der Elternzeit, müsse besser ermöglicht werden, so Kurz.
Schwierig sei es in Deutschland außerdem, ausreichend motivierte und geschulte Ärzte zu finden, die weiterbilden wollten. Zwar gibt es von den Landesärztekammern Bestrebungen, mehr Kurse über Kommunikation und Didaktik anzubieten, berichtete eine Vertreterin der Ärztekammer Nordrhein. An der Umsetzung der Kurse scheitere es aber oftmals.
Motivation der Weiterbildungsbeauftragten erhöhen
Ein Problem ist zudem die Motivation der Weiterbildungsbeauftragten. Wolfgang Blank, Allgemeinmediziner aus Bayern, gab zu bedenken: „Was ist der Vorteil für den Arzt, der weiterbildet? Wie locken Sie mich, dass ich die Kurse auch mache?“
Es müsse einen finanziellen Anreiz geben, der sich lohne, Weiterbildung anzubieten, so Blank. Es gebe zwar bereits Zuschüsse, diese seien aber nicht ausreichend, bemängelte er. Bezüglich der Finanzierung der Weiterbildung brauche es Verbesserungen, davon ist auch Herrmann überzeugt.
Faßbach entgegnete hingegen, dass in dieser Hinsicht nicht der monetäre Aspekt im Vordergrund stehen sollte. Der ärztliche Berufsethos gehe manchmal verloren, kritisierte sie.
Auch Christine Hidas, leitende Oberärztin der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Darmstadt, betonte die Notwendigkeit, Vorbild zu sein und neben der Wissensübermittlung auch Spaß am Beruf zu vermitteln.
Das Konzept des „Role Modeling“ führte auch der Arzt in Weiterbildung, Fabian Dupont von der Jungen Allgemeinmedizin Deutschland (JADE) an. Ärztinnen und Ärzte müssten ihren jüngeren Kollegen vorleben, wie Arbeit in Vereinbarung mit dem privatem und beruflichem Umfeld funktionieren könne.
So seien junge Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zu begeistern und zu gewinnen, erklärte Dupont. Auch Mentoringprogramme könnten hilfreich sein. Dabei bekäme jeder Arzt oder Ärztin eine Studierende an die Hand und könnte von Beginn an über den Beruf informieren und über praktische Fragen aufklären.
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