Ärzteschaft

Weiterbildung: „Sie müssen Ihre Anliegen in Kammern und bei der Politik laut artikulieren“

  • Donnerstag, 2. November 2023
/Vikky Mir, stock.adobe.com
/Vikky Mir, stock.adobe.com

Berlin – Eine bessere Finanzierung sowie eine deutlich intensivere Betreuung während der Weiterbildung forderten die Mitglieder des Bündnisses Junge Ärztinnen und Ärzte auf einer Tagung am vergangenen Wochenende in Berlin.

Die Verbesserungen der Bedingungen für die Weiterbildung müsse auf der Ebene von Gesetzgebung aber auch bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ansetzen. Dabei müsse es besonders eine über alle Fach­gruppen hinweg klar geregelte Finanzierung der Förderung von intersektoralen Weiterbildungsstellen geben sowie eine adäquate Personalbemessung mit angemessenen Supervisionsverhältnissen.

Fünf Weiterbildungstage pro Jahr, die innerhalb der Arbeitszeit stattfinden, sollten für jede Weiterbildung Standard werden. Auch müsse die Arbeits- sowie Familienzeit ohne Einschränkungen für die körperliche und seelische Gesundheit geleistet werden können, heißt es in einem Forderungspapier vom Bündnis junger Ärztinnen und Ärzte, das auf der Tagung anlässlich des zehnjährigen Jubiläums in groben Zügen umrissen wurde.

Forderung nach mehr Qualität und Transparenz

Dieses Papier ist derzeit noch nicht publiziert, hieß es. Darin werden auch die Landesärztekammern aufge­fordert, mehr Qualitätskontrollen von Weiterbildungsstätten durchzuführen, sowie transparente Statistiken zu den Bedingungen in den einzelnen Weiterbildungsstätten zu erheben und zu veröffentlichen. Auch müssten die Weiterbildungsbefugten einheitlich qualifiziert werden.

Für mehr Qualität in der Weiterbildung und eine wissenschaftliche Evaluation der Inhalte und Strukturen sprach sich auch Eckhart Hahn von der Uni Erlangen aus. Als mögliche Institution für die Entwicklung und Evaluation neuer Inhalte sowie eine stärkere Fokussierung auf die wissenschaftliche Überprüfung der Weiter­bildung schlägt Hahn eine „Deutsche Gesellschaft für Ärztliche Weiterbildung“ (DGÄW) vor. Diese könnte nach seiner Ansicht „durch starke Impulse wesentlich zur Qualitätsentwicklung der ärztlichen Weiterbildung beitragen.“

Eine solche Gesellschaft könnte Inhalte für eine Weiterbildung wissenschaftlich erarbeiten, validieren und begründen. Außerdem könnte dort auch die ökonomische Gewichtung der Weiterbildung stattfinden, die oft­mals in den Rechnungen von Klinikleitungen nicht vorkomme, so Hahn. Auch könnten dort didaktische Kennt­nisse für Weiterbildungsbefugte erarbeitet und vermittelt werden.

Als Zielgruppe für eine Mitgliedschaft in einer DGÄW macht Hahn neben den Ärztinnen und Ärzten in Weiter­bil­dung auch Weiterbildungsbefugte, Weiterbildungsbeauftragte, Fachgesellschaften sowie andere mit dem Thema beschäftigte aus. Hahn sieht diese Gesellschaft als natürlichen Partner von Landesärztekammern sowie der Bundesärztekammer. Hahn hatte bereits bei der Gründung der Medizinfakultäten in Oldenburg, Bielefeld und Augsburg als Berater fungiert.

Bei vielen der Forderungen hätten die jungen Ärztinnen und Ärzte ihn an ihrer Seite, betonte Hendrik Herrmann, Präsident der Landesärztekammer Schleswig-Holstein und Vorsitzender der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der Bundesärztekammer (BÄK). „Sie müssen aber in Ihren Kammern laut werden und die 250 Delegierten eines Ärztetages von Ihren Ideen überzeugen“, mahnte er.

Der stetige Vergleich mit den Weiterbildungen im Ausland hinke an vielen Stellen, da in Deutschland eine ärztliche Approbation als Grundlage für eine Weiterbildung zähle und Ärztinnen und Ärzte schon dann selbst­ständig arbeiten können. Daher sei die Weiterbildung nicht mit einer Aus- oder Fortbildung vergleichbar, er­klärte Herrmann.

Kammern in der Pflicht

Für eine Verbesserung der Situation in der Weiterbildung sieht er auch die Kammern in der Pflicht, stärker zu prüfen, ob Weiterbildungsstätten auch die nötigen Voraussetzungen für eine Ärztin oder Arzt in Weiterbildung dauerhaft bieten können. Auch müsse das Betreuungsverhältnis entsprechend geprüft werden.

In Schleswig-Holstein habe man festgelegt, dass auf zehn Weiterzubildene ein Weiterbildungsbefugter kommen müsse. Andere Kammern hätten beispielsweise die Zahl 80 zu eins an dieser Stelle, so Herrmann. Er forderte die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung aber auch auf, die vorgegebenen Bedingungen auch ent­sprechend vom Arbeitgeber einzufordern. „Zur Umsetzung von Bedingungen gehören immer zwei.“

Auch müsse die Weiterbildung von politischer Seite besser finanziert werden. Der Aufwand werde derzeit we­der für die Kliniken noch für die niedergelassenen Fachärzte gegenfinanziert, weder in der DRG-Systematik noch sonst wo.

Nur in der Weiterbildung für Allgemeinmedizin wurde eine Finanzierung politisch durchgesetzt, dort fließe inzwischen eine halbe Milliarde Euro rein. Davon werden auch die Kompetenzzentren finanziert, die in vielen Regionen sehr erfolgreich sind. Auch bei diesem Thema müssten die jungen Ärztinnen und Ärzte gegenüber der Politik lauter werden, forderte Herrmann.

Er wolle für die Weiterbildung in Zukunft weitere Änderungen auf den kommenden Deutschen Ärztetagen durchsetzen. „Ein Weiter so bei der Weiterbildung darf es nicht geben. Wir brauchen mehr Didaktik, wir brau­chen neue Lernmethoden.“ Auch Veränderungen beim eLogbuch gehörten dazu, „denn mit der jetzigen Situ­ation ist keiner so wirklich zufrieden.“

Auch müsse es eine „Verschlankung" der bisherigen Regelungen geben, einige Prüfungen sollten wegfallen und nur für das Fachgebiet sinnvolles erhalten bleiben. „Es ist oft nicht erklärbar, dass in der EU eine ärztliche Weiterbildung in der Regel vier bis fünf Jahre dauert, und wir es in Deutschland in den sechs Jahren nicht schaffen sollen“, so Herrmann.

In der Krankenhausreform gerät die Weiterbildung aus dem Blick

Er wisse, dies „ist ein ganz dickes Brett. Aber mich und meinen Mit-Vorsitzenden in der BÄK-Kommission für die Weiterbildung, Johannes Albert Gehle, reizt diese Umsetzung enorm.“ Allerdings: „Bildungssysteme können nicht schnell auf neue Systematiken reagieren“, warnte er. Gleichzeitig habe man angesichts des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels in der Ärzteschaft auch nicht mehr viel Zeit, die Bedingungen zu verbessern.

Besonders in der derzeit diskutierten Krankenhausreform drohe die Weiterbildung aus den Augen verloren zu gehen. So hieß es in dem Eckpunktepapier, auf das sich Bund und Länder Anfang Juli geeinigt haben, Weiter­bildung solle nur an den künftigen Level-1i-Krankenhäusern stattfinden. Dies hatte heftigen Protest aus der Ärzteschaft hervorgerufen. In einem vorläufigen Gesetzesentwurf ist diese Überlegung inzwischen nicht mehr enthalten.

Dass die Weiterbildung derzeit nicht im Fokus der Reformberatungen von Bundes- und Landespolitikerinnen und -politikern steht, begründet die Berliner Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, Ina Czyborra (SPD), mit der fehlenden Zuständigkeit: „Die Reform ist eine Finanzierungs- und Strukturreform. Dafür sind das Bundesgesundheitsministerium und auch die Länder zuständig.“

Neben der Finanzierung und der Strukturveränderungen habe die Reform auch weitere Bestandteile. „Und da ist die ärztliche Weiterbildung wegen der fehlenden Zuständigkeit nicht die zentrale Aufgabe von Landes- und Bundespolitik.“ Sie könne sich aber vorstellen, dass in der Krankenhausreform mit den Diskussionen um die Vorhaltepauschalen die Finanzierung der Weiterbildung noch ein Thema werden könnte.

Dabei müsse, so die Forderung der anwesenden jungen Ärztinnen und Ärzte, sich die Politik mehr für eine finanzielle Verbesserung der Weiterbildung einsetzen. Die Krankenhäuser können dies nicht mehr kostenlos aus den DRG-Erlösen stemmen. Die Politik habe das im Blick, bekräftigte Czyborra. „Wir haben im Gesundheits­wesen, aber auch in vielen anderen Politikbereichen finanzielle Verflechtungen, die ich als eine große Ver­teilungskrise des Systems beschreiben würde“, so die Senatorin.

Der Kostendruck habe in der Weiterbildung inzwischen ein unerträgliches Maß erreicht, da waren sich die Mitglieder des Bündnisses Junger Ärztinnen und Ärzte einig. „Wir als Ärzteschaft haben den Wert der Weiter­bil­dung in den vergangenen Jahren nicht deutlich genug vor uns her getragen. So können Patienten aber auch Politiker gar nicht wissen, was sie gerade in einer immer komplexer werdenden Medizin bedeutet", sagte Mira Faßbach von der Vereinigung von AssistenzärztenInnen in Weiterbildung zum Facharzt für Urologie in Deutschland (GeSRU). Daher müsse ein „finanzieller Schutzraum für die Weiterbildung“ gefunden werden.

Finanzierung muss bei Bund und Ländern liegen

Dafür müsse es aus Sicht von Landesärztekammerpräsident Herrmann eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern im Rahmen eines Bildungspaktes geben. „Diese Finanzierung müssten Bund und Land tragen. Ob die gesetzlichen Krankenkassen dabei sein müssen, das müsse man noch sehen.“

Czyborra sieht zwar die Notwendigkeit, bei Wissenschaft, Krankenhäusern und Bildung die Finanzverteilung zwischen Bund und Land zu verbessern. „Diese Finanzierung überfordert die Länder aber strukturell. In mei­nem Ressort mit Zuständigkeit für Wissenschaft und für Gesundheit kann ich das finanzielle Desaster, das über Jahrzehnte entstanden ist, direkt beobachten.“

Die politische Chance auf eine Lösung, lies sie aber offen. „Wir müssen die Verteilungskrise über viele Politik­bereiche hinweg lösen, damit das wieder funktioniert. Das Ping-Pong-Spiel zwischen Bund und Ländern über einzelne Bereiche hilft uns nicht weiter.“

Für mehr Transparenz bei den Finanzströmen in der Weiterbildung plädierte Viktoria Schneitler von der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG). „Wir müssen wissen, wohin das Geld geht, um besser argumentieren zu können.“

Senatorin Czyborra ermutigte die Ärztinnen und Ärzte, ihre Forderungen weiter zu artikulieren: „Sie haben eine bestimmte Vorstellung davon, wie sie arbeiten wollen, die sich unter Umständen unterscheidet von den Vorstellungen der Silberrücken im System. Und sie müssen eine Chance bekommen, diese Ansprüche auch zu formulieren.“

Das Bündnis junger Ärztinnen und Ärzte setzt sich aus den Sprecherinnen und Sprechern von unterschiedli­chen jungen Gruppen aus 29 Fachgesellschaften und Verbänden zusammen. Anlässlich des zehnten Jubiläums wurden auch weitere junge Gruppen von Fachgesellschaften und Verbänden aufgenommen.

Vier Sprecherinnen und Sprecher vertreten das Bündnis nach außen. Dazu wurden Constanze Weber (Vertrete­rin der Jungen Neurologen in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie), Andrea Martini (Junge DGIM, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)), Regina Havenith (Junge Dermatologen im Berufsverband der Deutschen Dermatologen), Johannes Birtel (Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, Young DOG) gewählt.

bee

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung