Bund und Länder wollen Gesetzentwurf zur Krankenhausreform im Sommer vorlegen

Berlin – Bund und Länder haben bei der geplanten großen Krankenhausreform eine enge Zusammenarbeit angekündigt. Bei einem hybriden Auftaktgespräch verständigten sich Bund und Länder heute darauf bis zur Sommerpause 2023 einen Gesetzentwurf vorzulegen.
„Grundlage soll eine gemeinsame Gesetzgebung, ein zustimmungspflichtiges Gesetz, sein“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach dem Klinikgipfel. An diesem sollen die Bundesregierung, Fraktionen des Bundestags sowie Bundesländer mitarbeiten. Er hoffe damit, dass die Reform „maximale Unterstützung“ erhalte.
Lauterbach sprach dabei von guten Diskussionen mit den Ländern. Er bekräftigte aber auch: „Es besteht nur Einigkeit zum jetzigen Zeitpunkt was die Probleme sind und was mögliche Lösungsansätze sein könnten.“ Einigkeit zu konkreten Umsetzungsdetails gebe es hingegen noch nicht.
Er führe außerdem zur Zeit vertrauliche Gespräche mit der Selbstverwaltung. Allerdings liege die politische Legitimation einer solchen Krankenhausreform bei den gewählten Regierungen und Parlamenten. Es könne nicht sein, dass man bei bestimmten Lobbygruppen um Erlaubnis für die Reform fragen müsse, so Lauterbach.
Die Reform sei dringend nötig, denn 60 Prozent aller Krankenhäuser hätten aktuell erhebliche finanzielle Probleme, erläuterte er weiter. Es fehlte insbesondere an medizinischen Geräten, Gebäuden und Personal, um Leistungen in sinnvoller Qualität zu erbringen.
„Es kommt auch nicht ganz so oft vor, dass der Bund das zusammen mit den Ländern tut, sondern in der Regel macht der Bund das alleine und die Länder werden im Bundesratsverfahren damit konfrontiert. Das ist diesmal nicht so“, sagte die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). Das zeige, welche wichtige Aufgabe die Länder in dieser Reform haben.
Laumann: Verantwortung muss bei Ländern bleiben
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach sich deutlich dafür aus, dass die Bundesländer weiterhin die Verantwortung für die Krankenhausplanung behalten sollen. Man könne keine Bundesschablone über die Krankenhäuser legen. Man müsse regionale Unterschiede berücksichtigen.
Er kritisierte auch zu viele bundesweit vorgegebene Kriterien, etwa durch den Medizinischen Dienst oder das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, die die Planung auf Länderebene stark einschränke.
Behrens hofft, dass die Krankenhausreform über die kommenden zehn bis 15 Jahre halten werde, denn in den nächsten zehn Jahren würden viele Menschen, die im Gesundheitssektor arbeiteten, in den Ruhestand gehen. Sie betonte zudem, dass insbesondere in einem Flächenland wie Niedersachsen künftig auch kleine Krankenhäuser benötigt würden, die notwendige Leistungen erbrächten.
Auch zu den fehlenden Investitionskosten in den Krankenhäusern äußerte sich die Ministerin. Behrens gestand ein, dass man in den vergangenen Jahren sicher „ein bisschen mehr in die Krankenhäuser investieren hätte müssen“.
Deshalb habe Niedersachsen für die mittelfristige Finanzplanung der nächsten Jahre erheblich mehr Mittel im Vergleich zu den Vorjahren eingestellt und „große Sondervermögen“ für die Universitätskliniken auf den Weg gebracht.
Allerdings behauptete sie, dass das defizitäre System der Krankenhäuser nichts mit fehlenden Investitionen durch die Bundesländer zu tun hätte, sondern vor allem mit dem fehlgeleiteten diagnosebezogenen Fallpauschalensystem (DRG) zu erklären sei. Sie hoffe deshalb auf die Kombination der Vorhaltepauschalen mit dem DRG-System.
Gesetz soll bis Ende 2023 verabschiedet sein
Manne Lucha (Grüne), Gesundheitsminister in Baden-Württemberg, bezeichnete die Kommunikationskultur der Bund-Länder-Runde als „sehr gut“. Den gefundenen Weg könne man aus seiner Sicht mittragen – insofern sei es ein guter Tag für die Bund-Länder-Arbeitsbeziehungen gewesen. Lauterbach habe klar zugestimmt, dass es sich bei dem Vorhaben um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handle. Die Bundesländer seien also auf „Augenhöhe“ dabei.
Die inhaltlichen Fragen werde man nun zeitnah „nach und nach“ angehen, sagte Lucha, der dieses Jahr den Vorsitz in der Gesundheitsministerkonferenz inne hat. Unter Einbindung der Länderkompetenzen solle dann bis Jahresende ein zustimmungsfähiges Gesetz stehen. Vorgelagert werde man in einem „kleinen Versorgungsgesetz“ weitere Aspekte einer guten Gesundheitsversorgung angehen. Dies beinhaltet laut Lucha unter anderem die Etablierung von Primärversorgungszentren und die Stärkung der ambulant-stationären Versorgung.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) befürchtet im Zuge der geplanten Krankenhausreform einen Abbau von Kliniken. „Ich befürchte, dass diese Krankenhausfinanzierungsreform eigentlich eine Strukturreform ist, die zur Zentralisierung und zum Abbau von Krankenhäusern in Deutschland führen soll“, sagte Nonnemacher vor der Bund-Länder-Konferenz.
„Kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum sind gefährdet beziehungsweise die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung.“ Für ein Flächenland wie Brandenburg sei es daher zwingend erforderlich, dass es schnellstmöglich Regelungen zur Finanzierung von ambulant-stationären Versorgungsleistungen gebe, sagte die Ministerin.
Krankenhausreform soll drei neue Aspekte beinhalten
Nach den Vorschlägen der Regierungskommission zu einer grundlegenden Krankenhausreform sollen die Kliniken statt künftig nur über diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) nach drei neuen Kriterien vergütet werden: Vorhalteleistungen, Versorgungslevels und Leistungsgruppen. Dabei sollen etwa für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik feste Beträge fließen.
Die Kommission schlägt vor, dass nach einer Übergangsphase von fünf Jahren 40 Prozent der Gesamtvergütung einer Klinik über Vorhaltepauschalen finanziert werden sollen. Damit würde die Höhe der Finanzierung über DRG abgesenkt, das Fallpauschalensystem aber nach wie vor beibehalten.
Für Intensiv-, Notfallmedizin, der Geburtshilfe und Neonatologie soll der Anteil der Vorhaltekosten 60 Prozent der Gesamtvergütung betragen. In diesen Bereichen gibt es besonders hohe Fixkosten. Ziel ist deshalb, den ökonomischen Druck zu reduzieren, so die Regierungskommission.
Vorgesehen sind zudem 128 Leistungsgruppen, die passgenauer als die bisherige Aufteilung nach Fachabteilungen und DRG definiert werden sollen.
Neben den Gruppen soll es außerdem drei Versorgungslevels geben. Den Plänen der Kommission zufolge sollen Kliniken in der Grundversorgung etwa für grundlegende chirurgische und internistische Eingriffe und Notfälle zuständig sein. Fachkrankenhäuser sollen im zweiten Level die „Regel- und Schwerpunktversorgung“ übernehmen. Die meisten medizinischen Leistungen sollen auf diesen beiden Stufen erbracht werden.
Universitätskliniken und bisherige Maximalversorger sollen einer dritten Gruppe zugeordnet werden. Jede der 128 Leistungsgruppen wird dabei einem Versorgungslevel zugeordnet. Dabei sollen Krankenhäuser im ersten Level nur entsprechende Leistungen abrechnen dürfen. Kliniken des zweiten Levels dürfen Leistungen des ersten und zweiten Levels abrechnen und Häuser in der Maximalversorgerstufe dürfen alle Leistungen abrechnen, sofern die jeweiligen leistungsgruppenspezifischen Anforderungen erfüllt sind.
Krankenhäuser pochen auf Finanzierungsnotwendigkeit
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte die Einigung und der besondere Weg des gemeinsamen Gesetzentwurfs von Bund und Ländern. „Wir brauchen ein einheitliches Verständnis, wie Versorgung aussehen soll und es ist sehr positiv, dass dies schon bis zur Sommerpause erfolgen soll, denn wir brauchen dringend Planungssicherheit für die Kliniken“, erklärte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß.
Unbefriedigend blieben die Aussagen zu strukturellen Unterfinanzierung der Betriebskosten und der Investitionsfinanzierung. „Auch wenn es in Ländern Steigerungen bei den Investitionsmitteln gegeben hat, bleiben diese weiterhin hinter den notwendigen Mitteln zurück und dies schon seit Jahren“, sagte Gaß. Hier brauche es eine Refinanzierung der Mehrkosten etwa durch die Inflation. Trotz der bereits beschlossenen Energiehilfszahlungen für die Krankenhäuser rechnet er mit einem Defizit von rund 15 Milliarden Euro bis Ende 2023.
Bislang gebe es „nur Ankündigungen, nichts Konkretes“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge im ARD-Morgenmagazin. Zur geplanten Abkehr vom Fallpauschalensystem sagte er, es könne nicht „alles über den Haufen“ geworfen werden, ohne zu sagen, wie es weitergehen soll.
Er sagte, auch im Gesundheitssystem würden „bestimmte betriebswirtschaftliche Anreize“ gebraucht. Es gehe darum, die Fallpauschalen weiterzuentwickeln. Richtig nannte er die vorgeschlagene Einordnung der Krankenhäuser in drei Level, was mit einer entsprechenden Förderung verbunden werden soll. Es gehe darum, dass „nicht mehr jeder alles macht“, sagte Sorge.
Die Kliniken müssten „etwas freier von wirtschaftlichen Erwägungen die Leistung erbringen können“. Sorge schloss nicht aus, dass auch Krankenhäuser geschlossen oder umgewandelt werden müssten. Die Versorgung werde „nicht schlechter, sondern anders“ sein, sagte der Bundestagsabgeordnete.
Krankenkassen begrüßen baldigen Gesetzentwurf
Für die Krankenkassen müsse das Ziel der Reformen vor allem eine bessere Qualität der Versorgung sein. „Die Statements nach dem heutigen Gespräch über die Krankenhausreform zeigen, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt“, sagte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. Viele Fragen seien noch offen.
„Angesichts der großen Qualitäts- und Strukturprobleme der Krankenhäuser in Deutschland ist es gut, dass bis zur Sommerpause ein konkreter Gesetzesentwurf von Bund und Ländern vorliegen soll.“ Es sei höchste Zeit für eine grundlegende Reform.
Reimann hofft auf die vorgeschlagene Kopplung der Vorhaltepauschalen an bundeseinheitlich definierte Leistungsbereiche und Leistungsgruppen. „Dieser Vorschlag darf jetzt nicht verwässert werden, indem man etwa auf grob umrissene Vorhaltestufen setzt oder auf die Leistungsgruppen verzichtet“, forderte sie.
Vertreter der Krankenkassen riefen die Bundesländer zudem dazu auf, ihrer Verantwortung der ausreichenden Finanzierung der Investitionskosten nachzukommen. „Der Reformbedarf im Krankenhaussektor ist riesig. Die Vorschläge für eine gestufte Versorgung sowie eine stärkere Verzahnung mit dem ambulanten Bereich sind aus unserer Sicht erste gute Ansätze“, sagte Jürgen Hohnl, Geschäftsführer der Innungskrankenkassen (IKK).
Jedoch benötige eine fundierte Krankenhausreform insbesondere auch eine angemessene Finanzierung. „Außerdem könnte man darüber nachdenken, dass Vorhaltekosten Teil der Daseinsvorsorge sind. Diese wären dann über Steuern zu finanzieren“, so Hohnl.
„Der Umbau der Krankenhauslandschaft kann jedoch nur gelingen, wenn die Reform als Gesamtpaket angegangen wird und die Länder durch eine qualitätsorientierte Krankenhausplanung und eine angemessene Finanzierung der Investitionskosten mitziehen“, sagte die Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner des Verbands der Ersatzkassen (vdek).
Eine vollständige Abkehr vom DRG-System und der Gewinnorientierung forderte der Sozialverband VdK. Die Pläne zur Krankenhausreform seien zwar ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele.
„Allerdings sollte das Gesundheitsministerium in seinen Plänen noch deutlich radikaler sein. Die vorgestellte Reform wird nicht ausreichen.“ Sie betonte, dass das Wohl der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt aller Handlungen im Krankenhaus stehen müsste.
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