Ärzteproteste gegen Sparpläne der Bundesregierung gehen weiter

Berlin – Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland protestieren in dieser Woche weiter gegen die Sparpläne von Bundesregierung und Krankenkassen. Protestaktionen fanden und finden unter anderem in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, im Saarland und in Schleswig-Holstein statt.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wolle eine gute und etablierte Regelung zur Behandlung von Neupatienten aus dem Gesetz streichen, kritisierte zum Beispiel die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN). Auch Niedersachsens Kinderärzte hatten bereits wegen der Pläne Alarm geschlagen und vor einer schlechteren Patientenversorgung gewarnt.
Der KVN-Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch sagte dazu, man werde die Patienten in den Praxen darüber informieren, dass künftig ihre Versorgung eingeschränkt werde. „Längere Wartezeiten auf Termine und weniger Behandlungstermine wären die Konsequenz der Lauterbachpläne.“
Die niedersächsischen Ärzte und Psychotherapeuten befürchten außerdem, dass die Praxen auf Kostensteigerungen sitzenbleiben. Die Bundes- und Landesregierung wollten den Krankenhäusern einen Inflations- und Energiekostenausgleich zahlen, Arztpraxen sollten hingegen leer ausgehen.
„Die Radiologen, Nuklearmediziner und Strahlentherapeuten trifft es durch den hohen Energieverbrauch besonders hart“, sagte Barjenbruch kürzlich. Vor allem Kernspintomographen (MRT) und Linearbeschleuniger seien Stromfresser.
Die Ärztekammer Niedersachsen erklärte sich solidarisch mit den Protestierenden. Die Pläne der Bundesregierung gefährdeten die flächendeckende Patientenversorgung in Niedersachsen in hohem Maße, sagte Kammerpräsidentin Martina Wenker.
Hunderte Praxen in Hamburg mit eingeschränktem Betrieb
In Hamburg sind heute mehrere hundert Praxen geschlossen geblieben oder haben ihren Betrieb eingeschränkt – ebenfalls aus Protest gegen die Sparpolitik. Rund 1.300 Ärztinnen und Ärzte samt Praxisteams nahmen während der regulären Praxisöffnungszeiten an einer Fortbildungsveranstaltung in den Räumlichkeiten der KV Hamburg teil.
„Zuerst fordert der Bundesgesundheitsminister, dass die Praxen fünf zusätzliche Sprechstunden anbieten – wir liefern, und jetzt sollen die dafür so dringend benötigten Mittel einfach gestrichen werden. Wenn er so weitermacht, wird es die ambulante Versorgung, so wie wir sie in Deutschland kennen, bald nicht mehr geben“, warnte Dirk Heinrich, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Hamburg. Diese Politik sei ein „verheerendes Signal“ an den ärztlichen Nachwuchs.
Als „unsäglich“ bezeichnete es John Afful, Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg, dass der Bundesgesundheitsminister auf ein Einnahmenproblem in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Leistungskürzungen für Patienten reagiere. „Die Neupatientenregelung war ein richtiger Schritt in die richtige Richtung – ihr Ende schwächt die ambulante Versorgung statt sie zu stärken.“
Die Ärztekammer Hamburg unterstützte den Protesttag gegen die geplanten Kürzungen in der ambulanten Versorgung. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen sind aktuell mit enormen Preissteigerungen konfrontiert und haben zweieinhalb Jahre Dauereinsatz in der Pandemie hinter sich. Wie die Bundesregierung ausgerechnet in dieser Situation auf die Idee kommt, die Neupatientenregelung zu kippen, ist mir unbegreiflich. Das wird am Ende zu einer schlechteren Versorgung der Patientinnen und Patienten führen“, so Kammerpräsident Pedram Emami.
Aus dem Saarland kamen ebenfalls warnende Stimmen. Michael Kulas, Vorsitzender des Hausärzteverbands Saarland, betonte, die geplante Streichung der Neupatientenregelung stelle die Verlässlichkeit der Politik in Frage. Die daraus folgende Planungsunsicherheit verschärfe das Nachfolgerproblem für die Praxen.
Grundsätzliche Anpassungen bei der Systematik der Orientierungswertverhandlungen forderte Gunter Hauptmann vom Vorstand der KV Saarland. Mit dem derzeitigen Modell könnten Kostensteigerungen nicht adäquat aufgefangen werden – dies drohe die Sicherstellung der ambulanten Versorgung zu gefährden.
Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, wertete die bundesweiten Proteste gegen die geplante Streichung der Neupatientenregelung und die Sparpolitik der Kassen als „beeindruckenden Erfolg“.
„Die Aktionen quer durch die Republik haben bereits jetzt deutlich gemacht, dass das Thema in der Fläche angekommen ist, die noch folgenden werden dies unterstreichen“, sagte Reinhardt. Man habe keinen Zweifel daran gelassen, dass man nicht bereit sei, eine dramatische Verschlechterung der Versorgung widerstandslos hinzunehmen.
Mit Blick auf „zaghafte Botschaften“ aus dem Gesundheitsministerium, man denke über eine Modifizierung der Gesetzespläne nach, warnte Reinhardt vor „faulen Kompromissen“.
„Wir brauchen die klare Botschaft und die Sicherheit, dass wir auch künftig unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen ‚alte‘ und neue Patientinnen und Patienten in unseren Praxen versorgen können. Nicht mehr und nicht weniger“, betonte Reinhardt.
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