Ärzteschaft

Ärzteschaft fordert deutlich schärfere Regulierung von Praxisverwaltungs­systemen

  • Freitag, 10. Mai 2024
/Val Thoermer, stock.adobe.com
/Val Thoermer, stock.adobe.com

Mainz – Die Delegierten des 128. Deutschen Ärztetages in Mainz fordern den Gesetzgeber auf, die Regeln zur Zertifizierung und Reglementierung von Praxisverwaltungssystemen (PVS) deutlich zu verschärfen. Kommen Anbieter den Anforderungen nicht nach, müsse es die Möglichkeit geben, Sanktionen gegen sie zu verhängen.

Der Frust vieler Ärzte über die Performance ihrer Praxissoftware ist in eine Handlungsaufforderung an Politik in Selbstverwaltung gemündet, die Softwareanbieter stärker in die Verantwortung zu nehmen.

„Die Ärztinnen und Ärzte erfahren in ihren Praxen weiterhin Tag für Tag eine massive Diskrepanz zwischen den Erwartungen, die sie mit der Digitalisierung verbinden und der erlebten Realität“, heißt es in einem mit großer Mehrheit angenommenen Antrag. „Auch die Versprechungen der Industrie und das User-Erlebnis im hausärztlichen Praxisalltag stimmen leider viel zu selten überein.“

Die PVS seien in vielen Praxen „eher Teil des Problems als der Lösung“. So würden Funktionalitäten, die eigentlich umzusetzen wären, nicht oder verspätet zur Verfügung stehen oder seien in Untermenüs des PVS versteckt und damit nicht direkt zugänglich und nutzbar.

Dabei würden die bestehenden Systeme zur Zertifizierung der PVS regelhaft versagen, weil sie auf Selbstauskünften oder kursorischen Sichtprüfungen basieren und Fragen der Usability nicht berücksichtigen.

Selbst in Fällen, in denen das PVS nachweislich Anforderungen nicht umsetzt, sei die einzig mögliche Sanktion der Entzug der Zulassung für die vertragsärztliche Abrechnung. „Dies trifft jedoch letztlich nur die nutzenden Ärztinnen und Ärzte, die im schlimmsten Fall ohne zugelassenes PVS dastehen“, heißt es weiter.

Da die Regulierungskräfte des Marktes aus Sicht der Abgeordneten hier offensichtlich versagen, sehen sie nun den Gesetzgeber am Zug. Es brauche klare und umfassende gesetzliche Prüfaufträge an die Kassen­ärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Gematik hinsichtlich der Funktionen, die PVS umsetzen müssten, inklusive einer angemessenen Usability und Performance im Praxisalltag.

Diese Prüfaufträge müssten mit der Verpflichtung der KBV und der Gema­tik verbunden sein, diese auch entsprechend umzusetzen. „Sichtprüfun­gen und Eigenerklärungen genügen dafür in der Regel nicht“, so der Antrag. Dabei erfordere ein klarer Prüfauftrag auch die Möglichkeit von Sanktionen, die die PVS-Anbieter direkt treffen – beispielsweise Strafzah­lungen.

Zudem müssten die PVS-Hersteller verpflichtet werden, sich für andere digitale Anwendungen im Gesundheitswesen zu öffnen, Schnittstellen zur Verfügung zu stellen und eine maximale Interoperabilität sowie Wechsel­möglichkeit zwischen diversen PVS zu gewährleisten.

Auf der anderen Seite sehen die Delegierten den Gesetzgeber aber auch in der Pflicht, die notwendigen Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Forderungen herzustellen. So müsse er Sorge tragen, dass die Komponenten der Telematikinfrastruktur (TI) stabil und sicher funktionieren und dass die gesetzlichen Fristen, die Anpassungen in den PVS erfordern, realistisch gesetzt werden.

In gleich mehreren weiteren Anträgen vertieften sie diese Forderungen. „Die Gesellschafter der Gematik sollen die Telematikinfrastruktur (TI) so fortentwickeln, dass diese zeitnah effizienter, sicherer und stabiler funktioniert“, heißt es in einem der Anträge. Dazu sei der intensive Austausch der Gematik mit den PVS-Anbietern notwendig.

Bereits heute sei für Anwendungen wie die elektronische Arbeitsun­fähigkeitsbescheinigung (eAU) und das elektronische Rezept (E-Rezept) die qualifizierte elektronische Signatur des ausstellenden Arztes notwen­dig. Täglich würden rund 1,5 Millionen E-Rezepte ausgestellt.

„Die elektronische Signatur, wie auch die Komfortsignatur sind aktuell noch fehlerbehaftet und arbeiten nicht stabil und sicher genug“, kritisie­ren die Delegierten in dem Antrag. Dieser zeitliche Mehraufwand führe zu Frustration bei Ärzten wie Patienten und fehle bei deren Versorgung.

Die Gematik verspreche zwar, diese Probleme mit der TI 2.0 zu lösen. Aller­dings, so die Aufforderung, müsse sie deren Entwicklung und Um­setzung auch zügig voranbringen und dabei eng mit den PVS-Anbietern der Praxissoftware kooperieren, damit die Implementierung schnell und fehlerfrei erfolgen kann.

Auch hier forderten die Delegierten die Festlegung verbindlicher Bench­markziele. „Nur so kann die Leistungsfähigkeit und Benutzerfreundlich­keit von Praxisverwaltungssystemen verbessert werden“, heißt es im Antrag. Besonderes Augenmerk solle dabei auf die Optimierung der Ladezeiten für kritische Prozesse, wie die Signaturerstellung und den Versand von Dokumenten, gelegt werden.

Künftig müssten die Anwendungen der TI vor einem bundesweiten Roll-out ausgiebig unter realen Bedingungen erprobt werden, forderten die Abgeordneten zudem in einem weiteren Antrag. Dabei sei insbesondere sicherzustellen, dass die zugelassenen Dienste und Komponenten der Anwendungen den hohen Anforderungen eines flächendeckenden Produktivbetriebs genügen – inklusive einer störungsfreien Verfügbarkeit und Stabilität der Dienste der TI bei erhöhtem Datenaufkommen zu Spitzenzeiten.

lau

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung