Ärzteschaft

Bundesärztekammer legt Vorschläge für MVZ-Reform vor

  • Donnerstag, 12. Januar 2023
/AdobeStock/MQ-Illustrations
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Berlin – Umfassenden Regelungsbedarf bei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sieht die Bundesärzte­kammer (BÄK). In einem dem Deutschen Ärzteblatt vorliegenden Positionspapier spricht sich die BÄK unter anderem für die ausschließliche Zulassung fachübergreifender MVZ, die Begrenzung von Marktanteilen, mehr Transparenz über die Inhaberschaft, mehr Optionen zur Überprüfung der Versorgungsaufträge sowie der Ein­haltung des Berufsrechts aus.

Die Thematik befindet sich bereits auf der gesundheitspolitischen Agenda des Bundesgesundheitsministe­riums (BMG). Wie aus einer dem Deutschen Ärzteblatt ebenfalls vorliegenden Sortie­rung des BMG für ein geplantes Versor­gungsgesetz hervorgeht, soll es eine „Weiterentwicklung“ der Regelungen zu MVZ geben.

Regelungen zu „Gründung, Zulassung, Betrieb und Transparenz“ von MVZ sollen demnach insbesondere auch mit Blick auf investorenbetriebene MVZ weiterentwickelt werden. Details und einen konkreten Zeitplan gibt es jedoch noch nicht.

Wie die BÄK in ihrer Stellungnahme betont, befasse man sich seit mehreren Jahren intensiv mit der zuneh­men­den Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und insbesondere auch mit der Thematik der investo­renbetriebenen MVZ. Zahlreiche Beschlüsse Deutscher Ärztetage der vergangenen Jahre hätten die große Besorg­nis der Ärzteschaft zu dieser Thematik aufgezeigt.

Investitionen in das Gesundheitssystem sind aus Sicht der BÄK grundsätzlich positiv zu bewerten – insbe­sondere, da in einigen Fachgebieten die medizinische Technologie kaum noch durch einen einzelnen Ver­tragsarzt finanziert werden könne.

Kritisch werde es aber, wenn die in MVZ beschäftigten Ärzte unter hohem Renditedruck stünden oder es eine Monopolisierung durch große MVZ-Strukturen oder -Ketten gebe, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Des­halb bedürfe es einer Anpassung der Rahmenbedingungen für die Zulassung und die ärztliche Tätigkeit in MVZ.

Um sicherzustellen, dass MVZ einen Mehrwert für die Versorgung haben, spricht sich die BÄK dafür aus, das 2015 mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz aufgegebene Merkmal „fachübergreifend“ wieder verpflich­tend einzuführen.

Hinter vielen der fachgleichen MVZ würden Kapitalinvestoren ohne Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung stehen, die sich auf einen Teilmarkt der medizinischen Versorgung – etwa operative Augenheilkunde oder Radiologie – fokussierten. Reinhardt sprach in diesem Zusammenhang von einem „Wildwuchs“, welcher große Sorgen mache.

Insbesondere MVZ-Ketten sowie Groß-MVZ führten laut BÄK zu Versorgungsmonopolen in den entsprechen­den Fachgebieten und schränkten damit das Recht der Versicherten auf freie Leistungserbringerwahl ein. Nicht-fachübergreifende MVZ sollten aber, so der Regelungsvorschlag, noch zehn Jahre unverändert fortbe­stehen können.

Örtlicher und fachlicher Bezug des Krankenhauses zum MVZ

Zudem habe sich gezeigt, dass Kapitalinverstoren ohne fachlich-medizinischen Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung Krankenhäuser erwerben, um bundesweit und damit vielfach in weiter Entfernung vom erworbe­nen Krankenhaus MVZ zu gründen.

Die BÄK spricht sich deshalb dafür aus, die Gründung von MVZ durch Krankhäuser auf ihren Einzugsbereich zu beschränken. Nur so sei ein Bezug zur Tätigkeit des Krankenhauses und damit ein Nutzen für die Versorgung der Patienten vor Ort – ein ambulant-stationäres Behandlungskonzept „aus einer Hand“ – erkennbar. Der Ein­zugsbereich bestimme sich dabei nach dem Krankenhausplan des jeweiligen Bundeslandes.

Eine Verbesserung der Versorgung sei auch nur dann zu erwarten, wenn das MVZ-Versorgungsangebot einen Bezug zum Leistungsangebot des Krankenhauses aufweise. Durch dieses Erfordernis soll zudem verhindert werden, dass Kapitalinvestoren ohne fachlichen Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung Krankenhäuser vor Ort aufkaufen, um MVZ zu gründen, ohne dass dies im Zusammenhang mit dem Versorgungsangebot des Krankenhauses steht, so die BÄK. Auch hier soll es eine Zehnjahresfrist als Bestandsschutzregelung geben.

Die Vorschläge der BÄK sehen allerdings vor, dass auch bestehende MVZ nach der Übergangsfrist nur dann weiterbetrieben werden dürfen, wenn deren Träger die geltenden Voraussetzungen erfüllen.

Überprüfung der Versorgungsaufträge

Die BÄK greift auch den Aspekt der Leistungsspektren der MVZ auf. Die Erfüllung des Versorgungsauftrags erfordere nicht nur eine ausreichende Anzahl an erbrachten Leistungen, sondern auch, dass die erforderlichen Kernleistungen erbracht werden.

Deshalb solle klargestellt werden, dass die Einhaltung des jeweiligen Versorgungsauftrages auch hinsichtlich der Erbringung der Kernleistungen von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu überprüfen sei. So soll verhindert werden, dass sich Leistungserbringer auf „einzelne, besonders lukrative, oftmals prozedurale Leistungen des Fachgebiets“ – die BÄK verweist beispielhaft auf Kataraktoperationen – beschränken.

Um sicherzustellen, dass in MVZ tätige Ärzte ihre ärztliche Entscheidung im Einklang mit den berufsrechtli­chen Regelungen treffen können, soll bei fehlender Gewährleistung ärztlicher Entscheidungen auch der Ent­zug der Zulassung möglich sein – dies sei für die Patientensicherheit „unentbehrlich“.

Begrenzung von Marktanteilen

Um die freie Arztwahl auch künftig zu gewährleisten, sollen darüber hinaus die Marktanteile von MVZ be­grenzt werden, so ein weiterer Vorschlag der BÄK. Speziell in der Augenheilkunde und Radiologie hätten Pa­tienten in einzelnen Regionen schon heute kaum Alternativen zur Behandlung in großen investoren­betriebe­nen MVZ beziehungsweise MVZ-Ketten.

Ein Krankenhaus soll künftig nur ein MVZ gründen können, wenn der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung zehn Prozent der jeweiligen Arztgruppe nicht überschreitet. Davon abwei­chende, aber dennoch den Marktanteil begrenzende, Regelungen sollen möglich sein, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad unter- oder überschritten ist.

Weitere Regelungsvorschläge der BÄK sehen zusätzlich ein Verbot von Gewinnabführungs- und Be­herr­schungs­verträgen, die Stärkung der Stellung des ärztlichen Leiters sowie die Streichung der Option der Kon­zeptbewerbung von MVZ – also die Bewerbung auf Praxisweiterführung mit einem personenunabhängigen Versorgungskonzept – vor.

Um für mehr Transparenz über die jeweilige MVZ-Inhaberschaft zu bieten, soll außerdem ein Transparenzre­gister Auskunft auch über den „wirtschaftlich Berechtigten“ geben. Die Patienten hätten ein Anrecht zu wissen, wie die Besitzverhältnisse tatsächlich seien, betonte BÄK-Präsident Reinhardt.

Die Vorschläge der BÄK habe man Bund und Ländern zur Verfügung gestellt – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe seinerseits angekündigt, in den nächsten Monaten tätig zu werden. Zu hoffen sei, dass dabei die Vorarbeiten der BÄK Berücksichtigung finden, so Reinhardt.

aha

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