Drogenbeauftragter setzt sich für Werbeverbot bei Alkohol ein

Berlin – Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) dringt auf einen stärkeren Schutz besonders von Kindern und Jugendlichen vor Gesundheitsschäden durch Alkohol und Rauchen. Der Politiker forderte heute unter anderem „konsequente Schritte“ gegen Alkoholwerbung.
Sie müsse heraus aus Internet, Fernsehen und Radio – am besten rund um die Uhr, zumindest zu den Hauptsendezeiten. Das Mindestalter für Alkohol müsse außerdem auf den Prüfstand. Ab 14 Jahren im Beisein der Eltern trinken zu dürfen, sei „gesundheitspolitischer Unsinn vergangener Zeiten“ und müsse abgeschafft werden.
Blienert sagte: „Kaum ein europäisches Land hat einen so liberalen Umgang mit Alkohol, Tabak und Co.“ Jedes Jahr würden in Deutschland insgesamt etwa eine Million Menschen sterben, davon etwa 150.000 Menschen an den Folgen von Alkohol- und Tabakkonsum.
„Jeder Erwachsene trinkt im Schnitt einen ganzen Eimer reinen Alkohol im Jahr und raucht über 1.000 Zigaretten, das sind 50 Schachteln", so Blienert. Seit 2016 sei ein Anstieg der Toten bei illegalem Drogenkonsum wie etwa Heroin oder Kokain zu verzeichnen. Zuletzt lag diese Zahl bei mehr als 1.800 Tote pro Jahr.
Jeder achte Erwachsene habe zudem ein Problem mit Glücksspiel. „Allein mit illegalen Glücksspielen werden in Deutschland 38 Milliarden Euro im Jahr umgesetzt“, sagte Blienert. Die Reisebranche käme im Vergleich auf einen Umsatz von 45 Milliarden Euro jährlich.
„Hoffnungslos kompliziert“ sei weiter das bestehende Hilfe- und Beratungssystem. „Beratung finanzieren die Kommunen, Entgiftungen gibt es über die Krankenkassen. Für die Langzeittherapie ist auch die Rentenversicherung zuständig und für alles was nach der Therapie folgt, müssen viele zur Arbeitsagentur oder zum Sozialamt“, erläuterte Blienert. Die Drogen- und Suchtpolitik habe deshalb kein Wissens- sondern ein Umsetzungsdefizit.
Paradigmenwechsel geplant
Verantwortlich an der aktuellen Situation seien die Vorgängerregierungen, betonte Blienert mehrfach. Profit und die Interessen der Industrie seien in der Vergangenheit wichtiger als der Gesundheitsschutz gewesen. Gerade im Hinblick auf illegale Drogen herrschte das Mantra „Wer sich nicht an unsere Spielregeln hält, ist selbst schuld.“ Dieses Paradigma müsse überwunden werden, so Blienert. „Ich möchte die kommenden Jahre nutzen, um einen echten Paradigmenwechsel in der Sucht- und Drogenpolitik einzuläuten“, bekräftigte er.
Der Beauftragte der Bundesregierung sprach sich für weitergehende Werbebeschränkungen aus. Es gebe keinen Grund, weshalb an Kiosken, Supermarktkassen und Tankstellen noch immer mit bunten Bildern für Zigaretten, Erhitzer und E-Zigaretten geworben werden dürfe. Für einen besseren Jugend- und Verbraucherschutz beim Glücksspiel, der in der Zuständigkeit der Länder liege, sollte Sportwettenwerbung in Fernsehen, Radio und Internet vor 21 Uhr untersagt werden.
Einer aktuellen Umfrage des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zufolge befürworten 64 Prozent der Bevölkerung ein umfassendes Werbe- und Sponsoringverbot für alkoholische Getränke. Die DKFZ informierte, dass 2020 knapp 300.000 Krankenhausaufenthalte auf eine ausschließlich durch Alkohol bedingte Erkrankung zurückgingen. Der Konsum alkoholischer Getränke verursache in Deutschland für die Gesellschaft jährlich Gesamtkosten von etwa 57 Milliarden Euro.
Gesetzentwurf zur Cannabislegalisierung soll bis März vorliegen
Mit Blick auf die von der Ampelkoalition geplante kontrollierte Freigabe von Cannabis für Erwachsene sagte Blienert, ihm gehe es dabei um nichts anderes als um mehr Gesundheitsschutz: „Lieber standardisiertes, kontrolliertes Cannabis aus dem Laden als verunreinigtes Cannabis vom Dealer aus dem Stadtpark.“
Er bekräftigte das Versprechen, dass bis März 2023 ein erster Gesetzentwurf auf Basis der Eckpunkte, die im Oktober 2022 vorgestellt worden sind, vorgelegt werden soll. Mit dem Gesetz zur Legalisierung von Cannabis werde strikter Gesundheits- und Jugendschutz miteingebaut, zudem soll es „Null Werbung für Cannabisprodukte“ geben dürfen.
Weiter geht Blienert davon aus, dass die Bundesregierung zeitnah Voraussetzungen für bundesweites Drug Checking schaffen werde. Diese Substanzanalyse könne insbesondere in der Partyszene für Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten sorgen, gesundheitliche Risiken beim Drogenkonsum reduzieren und Beratungsmöglichkeiten schaffen. Wichtig sei, Suchterkrankte genauso unvoreingenommen zu behandeln wie Asthma- oder Diabetespatienten, betonte Blienert.
Zudem kündigte er an, dass es künftig keinen Jahresbericht des Drogenbeauftragten mehr geben werden. Stattdessen sei zeitnah eine Online-Plattform geplant, die Zahlen und Verknüpfungen rund um die Themen Drogen und Sucht digital und direkt veröffentlichen soll.
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