Ärzteschaft

EU-Medizinprodukte­verordnung: Sorge wegen Engpässen

  • Freitag, 16. Februar 2024
/angkhan, stock.adobe.com
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Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) sorgt sich wegen möglicher Engpässe bei künstli­chen Hüft- und Kniegelenken. Es müssten dringend bürokratische Hürden abgebaut werden, da ansonsten die EU-Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) zunehmend die Patientensicherheit gefähr­de, hieß es heute.

Die 2021 in Kraft getretene MDR steht seit ihrer Entstehung in der Kritik und die damals ausgesprochenen Warnungen scheinen sich zunehmend zu bewahrheiten: Insbesondere spezialisierte Medizinprodukte, die in geringen Stückzahlen gefertigt werden, verschwinden immer häufiger aus der Versorgung.

Denn während vor Inkrafttreten der MDR Medizinproduktehersteller für den Einsatz ihrer Produkte am Menschen nur einen einmaligen Nachweis bestimmter Sicherheits- und Leistungsanforderungen bei einer Benannten Stelle (Notified Body) erbringen mussten, ist dies nun alle fünf Jahre erforderlich.

Hinzu kommt die Pflicht zur Nachzertifzierung bereits zugelassener Produkte sowie der Mangel an Benannten Stellen. Das Verfahren sei teuer, aufwendig und personalintensiv, klagte der Verband. Im Fall von Endoprothe­tik­implantaten werde die Situation außerdem noch dadurch verschärft, dass die Gewinnmargen für Hersteller hierzulande besonders niedrig seien.

„Deutschland ist nach Indien der zweitbilligste Markt weltweit. Daher haben die Firmen keinen Spielraum für gewinnschwache Nischenprodukte und bereinigen ihre Sortimente“, erklärte Georgi Wassilew, Generalsekretär des Verbands und Direktor der Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie am Universitätsklinikum Greifswald.

Das schränke auch die therapeutischen Möglichkeiten ein. Eine Hüftprothese bestehe in der Regel aus vier Komponenten, die auch einzeln austauschbar seien, nämlich dem Hüftschaft mit einem Aufsteckkopf sowie der Hüftpfanne mit einem einsetzbaren Inlay. Eine Vielzahl von Implantaten decke dabei einen großen Anteil der auftretenden Hüftpfannen- und Oberschenkelknochenformen ab.

„In der Vergangenheit war es uns möglich, individuelle Lösungen ab Lager für Menschen mit besonderen kör­perlichen Merkmalen anzubieten, sei es aufgrund ihrer besonders kleinen oder robusten Statur oder aufgrund von Fehlbildungen“, so Wassilew.

Bisher habe ein gegebenenfalls notwendig gewordener Austausch dabei besonders schonend durchgeführt werden können, indem nur diejenigen Komponenten ersetzt wurden, die verbraucht waren. So sei etwa nur das Pfanneninlay getauscht worden, während die noch fest im Knochen eingewachsene Pfanne im Körper habe verbleiben können.

Wenn diese Inlays nun jedoch nicht mehr in der richtigen Größe auf dem Markt verfügbar seien, müsse auch die fest im Knochen eingewachsene Pfanne mitentfernt werden, damit Pfanne und Inlay zueinander passen.

„Dadurch werden kleine Eingriffe zu größeren Operationen mit mehr Risiko: Ein kompletter Wechsel führt zu einem Verlust von Knochensubstanz, verlängert die Operationsdauer und erhöht das Risiko für Komplikatio­nen“, betonte Wassilew.

Außerdem müssten Operateure immer häufiger auf Alternativen ausweichen, wenn Implantate, die etwa speziell für sehr klein gebaute Patienten entwickelt wurden, nicht mehr verfügbar seien. Würden sich zum Beispiel Prothesenträger mit einer speziellen Anatomie bei einem Sturz den Oberschenkelknochen um ihre Hüftprothese brechen, müsse nun für ihre Versorgung auf Sonderanfertigungen zurückgegriffen werden, da Spezialgrößen oft nicht mehr verfügbar seien.

„Dies kann jedoch erhebliche Nachteile mit sich bringen“, sagte Wassilew. Bis zu sechs Wochen könne die Planung und Lieferung einer solchen Anfertigung dauern. Schlimmstenfalls müssten die Betroffenen in der Zwischenzeit im Bett liegen bleiben, bis ihr individuell angefertigtes Implantat verfügbar sei. Gerade bei Älteren erhöhe eine längere Liegedauer aber das Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen.

Der Verband fordert deshalb neben dem Abbau bürokratischer Hürden auch ein vereinfachtes Zulassungs- und Rezertifizierungsverfahren, um die Versorgung sicherzustellen und weiterhin Innovationen zu ermöglichen. Nur dies würde demnach ermöglichen, auch Implantate für spezielle Anforderungen schnell und unbürokra­tisch auf den Markt zu bringen und eine zeitgemäße und patientengerechte medizinische Versorgung zu gewährleisten.

lau

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