Ärzteschaft

Kassenärzte fordern mehr Kooperation mit Kliniken

  • Freitag, 24. Februar 2017

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat heute erneut eine bessere Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern gefordert. Zudem rief der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen, die Politik zu mehr Engage­ment bei der Umsetzung der Krankenhausstrukturreform auf.

Für eine bessere sektorenüber­greifende Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern müss­e zunächst „der Wildwuchs in der Kliniklandschaft deut­lich bereinigt“ werden, sagte er. Bisher sei das Gesetz „eher ein Reanimations­gesetz für kranke Krankenhäuser“. Das Krankenhausstrukturreformgesetz trat 2016 in Kraft. Für die Krankenhausplanung sind in erster Linie die Länder verantwortlich.

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, hielt Gassen entgegen, die KBV sollte zunächst dafür sorgen, dass die vorhan­denen Praxen ihre Leistungskapazitäten für die Patienten bedarfsgerecht einsetzten. Bevor über neue Aktionsfelder nachgedacht werde, müsste sich die KBV auch dafür stark machen, „dass das Honorarsystem niedergelassene Ärzte nicht länger zu Budget­pausen veranlasst“.

Belegarztwesen neu aufstellen

Gassen erläuterte, bei einer Neustrukturierung der Gesundheitsversorgung in einer Re­gion, die kein Krankenhaus mehr benötige, müssten sich auch die niedergelassen­en Ärz­te bewegen. „Es reicht nicht zu sagen: Macht das Krankenhaus dicht und schickt uns die Kohle.“ Denkbar wäre etwa, das Belegarztwesen neu aufzustellen. Allerdings sei dies bis­her bundesweit sehr unterschiedlich ausgeprägt – in Bayern sei es weit verbrei­tet, in Nordrhein-Westfalen nicht.

Solche Versorgungsstrukturen könnten in einem bisherigen Krankenhaus entstehen, in­dem man eine bestimmte kleinere Zahl von Betten, eine Art Minimalstation erhalte, gab Gassen zu bedenken. Hier könnten niedergelassene Haus- und Fachärzte zusam­m­en mit ehemaligen angestellten Krankenhausärzten Fälle unterbringen, die nach einer medizini­schen Behandlung ein, zwei Tage auf der Station bleiben müssten. „Dann hätten wir tat­sächlich eine Interaktion zwischen den Sektoren“, sagte der KBV-Chef. Daneben gebe es nach wie vor die großen Häuser mit Maximalversorgung. Die sollten aber mit mehr Perso­nal und mehr Finanzmitteln ausgestattet werden.

Fragen und Antworten

Was will das Krankenhausstrukturgesetz?

Im Prinzip sollen ineffiziente Strukturen bei den rund 2.000 Krankenhäuser abgebaut wer­den. Ein Hebel ist eine schärfere Qualitätskontrolle. Viele Krankenhäuser bieten Leis­tungen an, die sie nur ganz selten erbringen müssen. Das Gesetz sieht vor, gute Qualität mit Zuschlägen zu vergüten und schlech­te Qua­lität mit Abschlägen. Krankenhäuser soll­en so angehalten werden, sich auf Leistungen zu konzentrieren, die sie gut beherrschen. Ineffiziente Abteilungen oder Krankenhäuser sollen schließen. Um den Abbau nicht be­nötigter Kapazitäten zu unter­stützen, wird ein Strukturfonds geschaffen. In diesen fließen aus dem Gesundheitsfonds bis zu 500 Millio­nen Euro. Die Länder sollen Strukturmaß­nah­­men in gleichem Volumen gegenfinanzieren.

Wer ist für den Abbau von Überkapazitäten zuständig?

Die Länder sind für die Krankenhausplanung zuständig. Im Grunde müssten sie ent­schei­den, welche Abteilungen oder Häuser zumachen müssen. Doch das ist nicht ein­fach. Auch wenn ein Krankenhaus schlecht bewertet wird, befürchten Politiker Wider­stand in der Bevölkerung, wenn es dann tatsächlich geschlossen werden soll.

Wie viel Krankenhäuser sollten abgebaut werden?

Die KBV meint, 1.500 Krankenhäuser reichten aus. Einige Wissenschaftler plädieren – nach dänischem Vorbild – radikal ökonomisch für eine Reduzierung auf 330 Zentralklini­ken. Das dürfte kaum auf deutsche Verhältnisse übertragbar sein. Letztlich lässt sich eine exakte Zahl nicht nennen. Denn manche Krankenhäuser, die unter den Effi­zienz­gedanken eigentlich geschlossen werden müssten, müssen auf dem Land eine sta­tionäre Versorgung sicherstellen. Deutsche Krankenhausgesellschaft und Bundes­ärzte­kammer sehen kaum Möglichkeiten, Häuser abzubauen.

Wer kritisiert das Gesetz?

Unter anderem KBV-Chef Andreas Gassen. Er sagte, bevor überhaupt an eine bessere sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Kran­ken­häusern zu denken sei, müsse zunächst „der Wildwuchs in der Kliniklandschaft deutlich bereinigt“ werden. Viele Kliniken versuchten über ihre Notaufnahme, ihre Betten zu belegen. Die Krankenkassen sagen, das Gesetz sei teuer und belaste vor allem die Beitragszahler, ohne dass die Kassen Einfluss auf die Krankenhausplanung bekämen.

Wie kann eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit aussehen?

Gassen hält es für denkbar, in einer Region, die kein Krankenhaus mehr brauche, das Belegarztwesen bundesweit neu aufzustellen. Ein Belegarzt ist ein niedergelassener Arzt, der in einem Krankenhaus einige Betten, sogenannten Belegbetten, für seine Patien­ten reservieren darf. Typische Belegärzte sind Mund- und Kieferchirurgen, Urolo­gen oder Gynäkologen.

Wie funktioniert das?

Solche Versorgungsstrukturen könnten in einem bisherigen Krankenhaus entstehen, in­dem man eine kleinere Zahl von Betten, eine Art Minimalstation erhält, argumentiert Gas­s­en. Hier könnten dann niedergelassene Haus- und Fachärzte zusammen mit ehemali­gen angestellten Krankenhausärzten Patienten unterbringen, die nach einer Behandlung ein, zwei Tage auf Station bleiben müssten.

Wo ist noch eine bessere Kooperation möglich?

Beim Notdienst. Die Notaufnahmen in vielen Kliniken sind völlig überlastet. Denn viele Pa­tienten sehen hier die erste Anlaufstelle. Das Krankenhausstrukturgesetz versucht eine Entzerrung der Situation, indem die Kassenärzte ihre Notdienstpraxen, sogenannte Portalpraxen, direkt in oder an Krankenhäusern als erste Anlaufstelle einrichten oder Not­fallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in ihren Notdienst einbinden sollen. Hier soll dann entschieden werden, ob ein Notfall von einem Niedergelassenen behan­delt werden kann oder ins Krankenhaus muss.

Kann durch bessere Kooperation der Sektoren gespart werden?

Die erhofften Ersparnisse bei Abbau der Krankenhäuser würden wohl nicht eins zu eins den Krankenkassen zukommen, sagt Gassen. Ein Teil müsste wohl in die anderen Klini­ken mit Maximalversorgung fließen. Und ein Teil werde der vertragsärztlichen Versor­gung zugute kommen.

dpa

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