Kassenärzte fordern mehr Kooperation mit Kliniken
Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat heute erneut eine bessere Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern gefordert. Zudem rief der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen, die Politik zu mehr Engagement bei der Umsetzung der Krankenhausstrukturreform auf.
Für eine bessere sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern müsse zunächst „der Wildwuchs in der Kliniklandschaft deutlich bereinigt“ werden, sagte er. Bisher sei das Gesetz „eher ein Reanimationsgesetz für kranke Krankenhäuser“. Das Krankenhausstrukturreformgesetz trat 2016 in Kraft. Für die Krankenhausplanung sind in erster Linie die Länder verantwortlich.
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, hielt Gassen entgegen, die KBV sollte zunächst dafür sorgen, dass die vorhandenen Praxen ihre Leistungskapazitäten für die Patienten bedarfsgerecht einsetzten. Bevor über neue Aktionsfelder nachgedacht werde, müsste sich die KBV auch dafür stark machen, „dass das Honorarsystem niedergelassene Ärzte nicht länger zu Budgetpausen veranlasst“.
Belegarztwesen neu aufstellen
Gassen erläuterte, bei einer Neustrukturierung der Gesundheitsversorgung in einer Region, die kein Krankenhaus mehr benötige, müssten sich auch die niedergelassenen Ärzte bewegen. „Es reicht nicht zu sagen: Macht das Krankenhaus dicht und schickt uns die Kohle.“ Denkbar wäre etwa, das Belegarztwesen neu aufzustellen. Allerdings sei dies bisher bundesweit sehr unterschiedlich ausgeprägt – in Bayern sei es weit verbreitet, in Nordrhein-Westfalen nicht.
Solche Versorgungsstrukturen könnten in einem bisherigen Krankenhaus entstehen, indem man eine bestimmte kleinere Zahl von Betten, eine Art Minimalstation erhalte, gab Gassen zu bedenken. Hier könnten niedergelassene Haus- und Fachärzte zusammen mit ehemaligen angestellten Krankenhausärzten Fälle unterbringen, die nach einer medizinischen Behandlung ein, zwei Tage auf der Station bleiben müssten. „Dann hätten wir tatsächlich eine Interaktion zwischen den Sektoren“, sagte der KBV-Chef. Daneben gebe es nach wie vor die großen Häuser mit Maximalversorgung. Die sollten aber mit mehr Personal und mehr Finanzmitteln ausgestattet werden.
Fragen und Antworten
Was will das Krankenhausstrukturgesetz?
Im Prinzip sollen ineffiziente Strukturen bei den rund 2.000 Krankenhäuser abgebaut werden. Ein Hebel ist eine schärfere Qualitätskontrolle. Viele Krankenhäuser bieten Leistungen an, die sie nur ganz selten erbringen müssen. Das Gesetz sieht vor, gute Qualität mit Zuschlägen zu vergüten und schlechte Qualität mit Abschlägen. Krankenhäuser sollen so angehalten werden, sich auf Leistungen zu konzentrieren, die sie gut beherrschen. Ineffiziente Abteilungen oder Krankenhäuser sollen schließen. Um den Abbau nicht benötigter Kapazitäten zu unterstützen, wird ein Strukturfonds geschaffen. In diesen fließen aus dem Gesundheitsfonds bis zu 500 Millionen Euro. Die Länder sollen Strukturmaßnahmen in gleichem Volumen gegenfinanzieren.
Wer ist für den Abbau von Überkapazitäten zuständig?
Die Länder sind für die Krankenhausplanung zuständig. Im Grunde müssten sie entscheiden, welche Abteilungen oder Häuser zumachen müssen. Doch das ist nicht einfach. Auch wenn ein Krankenhaus schlecht bewertet wird, befürchten Politiker Widerstand in der Bevölkerung, wenn es dann tatsächlich geschlossen werden soll.
Wie viel Krankenhäuser sollten abgebaut werden?
Die KBV meint, 1.500 Krankenhäuser reichten aus. Einige Wissenschaftler plädieren – nach dänischem Vorbild – radikal ökonomisch für eine Reduzierung auf 330 Zentralkliniken. Das dürfte kaum auf deutsche Verhältnisse übertragbar sein. Letztlich lässt sich eine exakte Zahl nicht nennen. Denn manche Krankenhäuser, die unter den Effizienzgedanken eigentlich geschlossen werden müssten, müssen auf dem Land eine stationäre Versorgung sicherstellen. Deutsche Krankenhausgesellschaft und Bundesärztekammer sehen kaum Möglichkeiten, Häuser abzubauen.
Wer kritisiert das Gesetz?
Unter anderem KBV-Chef Andreas Gassen. Er sagte, bevor überhaupt an eine bessere sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern zu denken sei, müsse zunächst „der Wildwuchs in der Kliniklandschaft deutlich bereinigt“ werden. Viele Kliniken versuchten über ihre Notaufnahme, ihre Betten zu belegen. Die Krankenkassen sagen, das Gesetz sei teuer und belaste vor allem die Beitragszahler, ohne dass die Kassen Einfluss auf die Krankenhausplanung bekämen.
Wie kann eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit aussehen?
Gassen hält es für denkbar, in einer Region, die kein Krankenhaus mehr brauche, das Belegarztwesen bundesweit neu aufzustellen. Ein Belegarzt ist ein niedergelassener Arzt, der in einem Krankenhaus einige Betten, sogenannten Belegbetten, für seine Patienten reservieren darf. Typische Belegärzte sind Mund- und Kieferchirurgen, Urologen oder Gynäkologen.
Wie funktioniert das?
Solche Versorgungsstrukturen könnten in einem bisherigen Krankenhaus entstehen, indem man eine kleinere Zahl von Betten, eine Art Minimalstation erhält, argumentiert Gassen. Hier könnten dann niedergelassene Haus- und Fachärzte zusammen mit ehemaligen angestellten Krankenhausärzten Patienten unterbringen, die nach einer Behandlung ein, zwei Tage auf Station bleiben müssten.
Wo ist noch eine bessere Kooperation möglich?
Beim Notdienst. Die Notaufnahmen in vielen Kliniken sind völlig überlastet. Denn viele Patienten sehen hier die erste Anlaufstelle. Das Krankenhausstrukturgesetz versucht eine Entzerrung der Situation, indem die Kassenärzte ihre Notdienstpraxen, sogenannte Portalpraxen, direkt in oder an Krankenhäusern als erste Anlaufstelle einrichten oder Notfallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in ihren Notdienst einbinden sollen. Hier soll dann entschieden werden, ob ein Notfall von einem Niedergelassenen behandelt werden kann oder ins Krankenhaus muss.
Kann durch bessere Kooperation der Sektoren gespart werden?
Die erhofften Ersparnisse bei Abbau der Krankenhäuser würden wohl nicht eins zu eins den Krankenkassen zukommen, sagt Gassen. Ein Teil müsste wohl in die anderen Kliniken mit Maximalversorgung fließen. Und ein Teil werde der vertragsärztlichen Versorgung zugute kommen.
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