Krankenhaustransparenzgesetz: Bundesrat ruft Vermittlungsausschuss an

Berlin – Der Bundesrat hat heute mit einer knappen Mehrheit von 35 Stimmen das Krankenhaustransparenzgesetz vorerst blockiert und den Vermittlungsausschuss angerufen.
Das Krankenhaustransparenzgesetz wurde im Oktober vom Bundestag verabschiedet und sieht ein niedrigschwelliges Onlineportal vor, in dem die verschiedenen Leistungen der Krankenhäuser für Patienten gut einzusehen sind. Geplant war, ab Oktober 2024 die geplanten Leistungsgruppen und die entsprechenden Zuweisungen zu den Krankenhäusern öffentlich abzubilden.
Mit den Leistungsgruppen soll künftig die Krankenhausplanung nach bundeseinheitlichen Qualitätskriterien erfolgen. So sollen technische und personelle Ausstattungen fest vorgegeben und regelmäßig überprüft werden. Eine Einigung zwischen Bund und Ländern zur Krankenhausreform soll im Januar erfolgen, hatten Bund und Ländern gestern angekündigt.
Die Bundesländer hatten im Vorfeld massive Kritik an dem Transparenzgesetz geäußert. „Die Intention des Gesetzes ist richtig, aber so wie es vorgelegt worden ist, schafft es nicht mehr Transparenz, sondern es stiftet Verwirrung“, sagte heute der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) vor dem Bundesrat.
Die Zuordnung der Leistungsgruppen, über die sich Bund und Länder gerade verständigen, sei ein großer Erfolg. Allerdings tue das Gesetz so, als gäbe es die Leistungsgruppen schon, bemängelte Lucha. Das sei nicht der Fall. Lucha kritisierte, dass der Bund bis Oktober 2024 die Leistungsgruppen zu den Krankenhäusern vorläufig zuweisen würde, um sie in dem Transparenzgesetz veröffentlichen zu können. Damit greife er aber in die Planungshoheit der Länder ein.
Auch der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte, die geplante Veröffentlichung der Leistungsgruppen ab Oktober 2024 sei zu früh. „Wir müssen erst einmal die Leistungsgruppen zuweisen.“ Die Länder, die damit noch gar nicht angefangen haben, bräuchten dafür mindestens zwei oder drei Jahre. Erst wenn diese Zuweisung erfolgt ist, sei so ein Gesetz richtig, so Laumann.
„Wir brauchen ein Planungssystem und Betriebskostensystem, die vernünftig ineinander greifen“, forderte Laumann. NRW hat bereits seit einiger Zeit angefangen, die Krankenhausplanung nicht mehr nach Betten, sondern nach der Zuweisung von Leistungsgruppen zu planen. Eine endgültige Einigung steht allerdings noch aus.
Kritisch äußerten sich auch die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU), ihr hessischer Kollege Kai Klose (Grüne) und die Gesundheitsministerin aus Schleswig-Holstein, Kerstin von der Decken (CDU), vor dem Bundesrat.
Alle drei pochten zudem auf schnelle Hilfen des Bundes, um die gestiegenen Energie-, Sach- und Personalkosten in den Krankenhäusern zu decken. Von der Decken betonte: „Wir brauchen erst die Übergangsfinanzierung für die Kliniken, dann die Krankenhausreform und dann kann ein Transparenzverzeichnis kommen.“
Hamburg verteidigte das Gesetz
Gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses sprach sich deutlich die Gesundheitssenatorin aus Hamburg, Melanie Schlotzhauer (SPD), aus. Schlotzhauer brach eine Lanze für das Transparenzgesetz, obwohl die Länder mit dem Bund sehr hart gerungen hätten. Im Zuge der Arbeit an der Krankenhausreform brauche es aber Einheitlichkeit und ein Übereintreffen an Informationen, die mit dem Transparenzgesetz erreicht werden könnten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sei den Ländern im Rahmen dieser Gesetzgebung bereits entgegengekommen, sagte Schlotzhauer. Sie sei zudem froh über die Protokollerklärung und die vom Bund angekündigte Anpassung der Landesbasisfallwerte.
Ihr Parteikollege Andreas Philippi aus Niedersachsen begrüßte ebenfalls die Ankündigungen des Bundes. Diese werden aber nicht ausreichen, um die Kliniken ausreichend zu stützen, betonte auch er. Schlotzhauer mahnte allerdings auch: „Ich bin mir nicht sicher ob ein Auseinandertreiben der Länder durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses ein Erfolg wird.“
Lauterbach sprach ebenfalls vor der Abstimmung vor dem Bundesrat und betonte die benötigte Transparenz, um Patienten besser zu unterstützen. Sollte das Transparenzgesetz nicht schnell kommen, würden etwa 1,5 Millionen krebskranke Patientinnen und Patienten nicht die Information bekommen, in welchen Krankenhäusern sie optimal behandelt werden würden, so Lauterbach.
Deshalb müsse das Gesetz vor der Krankenhausreform vorgezogen werden, so Lauterbach. „Die Transparenz ist ethisch geboten. Dieses ethische Gebot vertrete ich als Minister und auch als Arzt“, betonte er. Er erwähnte auch die geplante Anpassung der Landesbasisfallwerte, dies werde aber nichts an der Situation der aktuell leer stehenden rund 30 Prozent Krankenhausbetten verändern, so Lauterbach.
Nach der Abstimmung zeigte sich Lauterbach enttäuscht: „Das ist in der Tendenz eine schlechte Nachricht für Patienten. Wir hoffen, dass wir dieses Gesetz jetzt trotzdem zügig durchbringen können.“ Ohne das Gesetz bekämen die Krankenhäuser auch nicht die frühere Liquiditätshilfe, die durch eine schnellere Auszahlung von Pflegemindererlösen rund sechs Milliarden Euro erreicht würde.
Ausschuss soll Konflikte beseitigen
Mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses wird das Gremium, bestehend aus 16 Bundestagsabgeordneten sowie 16 Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer, Vorschläge zur Beilegung von Konflikten zwischen Bundesrat und Bundestag machen. Der Ausschuss kann jedoch nicht selbst Gesetzesänderungen beschließen. Entsprechende Vorschläge benötigen die Bestätigung durch Bundestag und Bundesrat.
Schlägt der Vermittlungsausschuss vor, das Transparenzgesetz zu ändern, muss der Bundestag über die Änderungsvorschläge abstimmen. Der Bundesrat kann anschließend über seine Zustimmung oder Einspruch entscheiden.
Sollte der Vermittlungsausschuss das bereits verabschiedete Gesetz durch den Bundestag beschließen oder wird das Verfahren ohne Einigung abgeschlossen, muss allein der Bundesrat sich nochmal mit dem Gesetz befassen. Der Bundesrat hat allerdings in beiden Fällen über die Zustimmung oder Einspruchslegung zu entscheiden.
Für den Einspruch hat der Bundesrat anschließend zwei Wochen Zeit, die Frist beginnt mit dem Eingang des neuen Bundestagsbeschlusses oder der Mitteilung des Vermittlungsausschussvorsitzenden über den Ausgang des Verfahrens.
Forderung nach Hilfsprogramm ebenfalls beschlossen
Neben dem Krankenhaustransparenzgesetz stimmte der Bundesrat heute auch für einen Entschließungsantrag von vier Bundesländern. Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt drängen darin auf eine Art Soforthilfeprogramm für Krankenhäuser zur Sicherung aktueller und künftiger inflations- und tarifbedingter Kostensteigerungen.
Hinsichtlich der Entscheidungen des Bundesrats gab es heute viel Kritik, aber auch Lob. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) zeigte sich erleichtert. Durch das Transparenzgesetz würde der DKG zufolge die Versorgung in der Fläche leiden, qualitativ hochwertige aber kleine Kliniken würden durch die geplante Leveleinteilung abqualifiziert und damit in ihrer Existenz gefährdet.
Wichtig sei jetzt, dass die klare Positionierung der Bundesländer zu verbesserten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schnell im Bund umgesetzt werde, erklärte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß und erneuerte seine Forderung auf ein Vorschaltgesetz mit finanzieller Hilfe für die Krankenhäuser.
Schlechte Nachrichten und verpasste Chancen
Kritik an der Entscheidung zum Transparenzgesetz kam vor allen vonseiten der Krankenkassen. „Das ist zunächst eine schlechte Nachricht für die Patientinnen und Patienten, denn die Intention des Gesetzes, mehr Transparenz über die Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Krankenhäusern zu schaffen, ist richtig und wichtig“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer.
Bemerkenswert sei, dass die Länder damit ein Gesetz aufhielten, das auch eine beschleunigte Auszahlung der Pflegebudgets vorsehe – und das, obwohl die Rufe der Krankenhäuser nach einer Sicherung ihrer Solvenz immer lauter würden. „Die heute von den Ländern im Bundesrat geforderten zusätzlichen Finanzspritzen für die Krankenhäuser sind dazu keine Alternative. Sie hätten eine zusätzlichen Beitragsanstieg um mindestens 0,3 Beitragssatzpunkte im Jahr 2024 zur Folge“, so Hoyer.
Das sei angesichts der ohnehin steigenden Belastungen für die Beitragszahlenden nicht vertretbar. Er hofft nun auf einen Kompromiss, der den sinnvollen Ansatz des Gesetzes nicht verwässere und Versicherten und Arbeitgeber nicht zusätzlich belaste.
Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner, nannte diese Entscheidung eine „verpasste Chance“. Jede Verzögerung verschiebe die dringend notwendige Umsetzung der Krankenhausreform weiter in die Zukunft. Das Votum des Bundesrates bremse die Weiterentwicklung hin zu modernen Versorgungsstrukturen aus.
„Generell gilt: Wir brauchen mehr Tempo bei der Umsetzung der Krankenhausreform, damit es trotz demografischen Wandels und Fachkräftemangel gelingt, eine effiziente und zukunftssichere Versorgung auf den Weg zu bringen“, forderte Elsner.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis nannte das heutige Votum „einen eklatanten Wortbruch der Länder gegenüber der Einigung mit dem Bund“. Er spielt auf das Eckpunktepapier zur Krankenhausreform, dem Bund und 14 Bundesländer im Sommer zugestimmt hatten.
„Mit diesem versorgungspolitischen Offenbarungseid stellen sich die Länder nicht nur gegen Transparenz und Qualität im Krankenhaussektor, sondern auch gegen die Interessen von Patientinnen und Patienten“, kritisierte Pantazis.
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