Medizintechnikbranche will besseren Datenzugang

Berlin – Der Bundesverband der Medizintechnologiehersteller (BVMed) fordert für die eigene Branche einen besseren Zugang zu Gesundheitsdaten. Deutschland habe enormen Nachholbedarf bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen des geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS).
Eine für die Industrie mögliche und rechtssichere Datennutzung trage zur Stärkung des Innovations- und Wissenschaftsstandortes in Deutschland bei, erklärt der Verband in einem aktuellen Positionspapier. Doch die Bedingungen dafür könnten hierzulande besser sein.
Die Bundesregierung will das ändern und hat sich deshalb im aktuellen Koalitionsvertrag für ein „Gesundheitsdatennutzungsgesetz zur besseren wissenschaftlichen Nutzung in Einklang mit der DSGVO“ und den Aufbau einer dezentralen Forschungsdateninfrastruktur ausgesprochen. Im Mai wiederum hatte die EU-Kommission einen Vorschlag zur Verordnung über den EHDS vorgestellt.
Der BVMed begrüßt das ausdrücklich und betont, dass der EHDS – sollte seine finale Ausgestaltung im Wesentlichen dem Vorschlag der EU-Kommission folgen – enorme Potenziale für die Gesundheitsversorgung in Deutschland generieren könne.
Während die primäre Datennutzung vor allem personalisierte medizinische Behandlungen ermögliche, trage die Sekundärnutzung zur Weiterentwicklung von Versorgungsangeboten wie innovativen Medizinprodukten und deren Integration in der Gesundheitsversorgung bei. Voraussetzung sei allerdings, dass Unternehmen der industriellen Gesundheitswirtschaft eine entsprechende Datennutzung ermöglicht wird.
„Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz muss mit Blick auf die EU-Gesetzgebung vorausschauend gestaltet und international anschlussfähig sein“, heißt es im Positionspapier. „Widersprüche und national unterschiedliche rechtliche Auslegungen insbesondere hinsichtlich der europäischen Datenschutzgrundverordnung müssen von Vornherein vermieden werden.“
Studien und Umfragen würden dokumentieren, dass in der Bevölkerung seit Jahren die Bereitschaft wächst, eigene Gesundheitsdaten der Forschung und Entwicklung bereitzustellen. „Diese Daten ermöglichen neben der Nutzung für datenbasierte Politikgestaltung auch schnelle sowie effektive Produktentwicklungen und -verbesserungen – und sichern damit eine bedarfsgerechte Patientenversorgung auf einem qualitativ und technisch hohen Niveau“, schreibt der BVMed.
Außerdem würden vor dem Hintergrund einer immer stärker von Daten gestützten Gesundheitsversorgung Medizinprodukte an Bedeutung gewinnen, die in den vernetzten Versorgungszusammenhängen und integrierten Datenflüssen zum Einsatz kommen.
„Umso wichtiger ist es, dass der MedTech-Branche und den Hilfsmittel-Leistungserbringern selbst ein gleichberechtigter Zugang zu Gesundheitsdaten gewährt wird, um den vielfältigen Anforderungen des Gesundheitssystems nachzukommen und die Versorgung durch Produktneu- sowie -weiterentwicklungen kontinuierlich zu verbessern.“
Der BVMed sieht eine Reihe von Voraussetzungen, die dafür notwendig sind: So müssten die forschenden Gesundheitsunternehmen ausdrücklich zu den nutzungsberechtigten Institutionen nach Paragraf 303e SGB V (Sozialgesetzbuch V) gehören, die ein Antragsrecht auf die Nutzung von Abrechnungsdaten und medizinischen Routinedaten aus dem Forschungsdatenzentrum (FDZ) haben.
„Die bereitgestellten Daten müssen zur Entwicklung neuer Medizinprodukte und KI-Innovationen, zur Überprüfung bestehender Produkte sowie für die Erhebung von Evidenz auch für obligatorische Marktzugangs- und Erstattungsprozesse genutzt werden dürfen“, fordert der Verband. Andernfalls würden Forschung und Entwicklung über den Lebenszyklus von Produkten nicht in Deutschland zu erwarten sein.
Grundsätzlich müssten dabei auch „historische“ Datensätze sowie zukünftig generierte für Unternehmen der MedTech-Branche nutzbar gemacht werden. Gemeint seien weitere forschungsrelevante Datensätze, über die die unterschiedlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens verfügen.
Die Datensätze sollten wiederum in sogenannten Datenräumen im Sinne von „Federated Data Networks“ zugänglich gemacht werden. Auch Routinedaten des Gesundheitswesens und andere Daten öffentlicher Stellen sollten für bestimmte Zwecke und Kooperationen unter festen Vorgaben in Datenräume einfließen dürfen.
„Hierfür gilt es im Rahmen des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes rechtssichere Grundpfeiler zu setzen, die dann von den Beteiligten im Gesundheitswesen gemeinsam ausgestaltet werden können“, fordert der BVMed. Die MedTech-Branche setze sich dafür ein, dass beim Aufbau und der Nutzung von Datenräumen die etablierten Standards der International Data Spaces Association berücksichtigt werden.
Der International Data Spaces (IDS)-Standard stelle eine Referenzarchitektur und ein Governance-Modell zur Verfügung und ermöglicht so einen standardisierten Austausch von Daten über Datenräume. Wesentliche Merkmale seien die dezentrale Datenhaltung und Beibehaltung der Datensouveränität unter Respektierung proprietärer Systeme.
Bei all dem müsse die Hoheit über die Daten aber bei den Patienten bleiben: Ihnen müssten die regulatorischen, technologischen und informationellen Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, um vollumfänglich über die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten bestimmen zu können. Der Verband bringt dazu ein „Daten-Dashboard“ ins Spiel, aus dem für jeden Bürger sichtbar werden solle, wer auf seine Gesundheitsdaten zugegriffen hat und zu welchem Zweck.
Die Akzeptanz der Datennutzung seitens der Patienten könne und müsse außerdem durch den Einsatz moderner Technologien zum Schutz der Daten gewährleistet werden. Ein Personenbezug sei in den meisten Fällen der Nutzung durch Unternehmen nicht notwendig. Durch Investitionen in moderne Technologien, etwa zur Anonymisierung, Pseudonymisierung oder Datensynthetisierung könne ein entsprechender Datenschutz gewährleistet werden.
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