Politik

Bund legt Eckpunkte für mehr Barrierefreiheit vor

  • Mittwoch, 30. November 2022
/nimito, stock.adobe.com
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Berlin – Die Bundesregierung will die Barrierefreiheit im öffentlichen und privaten Bereich vorantreiben. Das Bundeskabinett beschloss heute Eckpunkte für eine „Bundesinitiative Barrierefreiheit – Deutschland wird barrie­re­frei“.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte als Ziel, „das Leben von Menschen jeden Tag zu vereinfachen, indem wir Barrieren abbauen“. Schwerpunkte seien die Bereiche Mobilität, Wohnen, Gesundheit und Digitales.

Im Rahmen der Bundesinitiative will die Regierung rechtliche Regelungen weiterentwickeln, um die Barriere­frei­heit im öffentlichen und privaten Bereich voranzutreiben, wie das Ministerium für Arbeit und Soziales weiter mit­teilte.

Dazu würden unter anderem das Behindertengleichstellungsgesetz, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz überarbeitet. Gezielte Öffentlichkeitsarbeit solle dazu beitragen, „alle in der Gesellschaft dafür sensibilisieren, wie Barrieren Menschen behindern können“.

Für ihren Geschäftsbereich verpflichtet sich die Bundesregierung demnach, für Barrierefreiheit am Arbeitsplatz sowie in der öffentlichen Information und Kommunikation zu sorgen. „Sie will damit als gutes Beispiel für Län­der, Kommunen und Privatwirtschaft vorangehen", teilte das Ministerium weiter mit.

Im Einzelnen sieht das Eckpunktepapier den weiteren Abbau von Hindernissen im Bus- und Bahnverkehr sowie Bedarfsverkehre vor. „Bei der Schaffung der Barrierefreiheit im ÖPNV geht es auch um barrierefreie Zuwegungen, Hilfen für Seh- und Hörbehinderte“, heißt es im Eckpunktepapier.

Die Bundesregierung will zudem mit den Ländern Mindeststandards für den Neubau von Wohnungen prüfen, um sie bei Bedarf schnell barrierefrei umzurüsten. Dabei sollen höhere Baukosten vermieden werden.

Ferner will das Bundesgesundheitsministerium einen „Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ erarbeiten. Bei der Digitalisierung strebt die Regierung eine bessere Teilhabe bei der Tele­kommunikation, der digitalen Infrastruktur und den digitalen Angeboten des Bundes an.

Die Bundesinitiative werde von einem Beirat begleitet, in den sich vor allem Menschen mit Behinderungen ein­bringen. Auch Länder, Kommunen, Wirtschaft und die Arbeitnehmerseite würden so eingebunden. Die Bundesre­gierung will 2025 zu zentralen Ergebnissen der Initiative berichten.

Dass Menschen mit Behinderung häufig benachteiligt sind, zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt, wie ein jetzt veröffentlichtes Inklusionsbarometer Arbeit zeigt, das die Aktion Mensch in Bonn vorstellte.

Zwar sei die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderung gesunken – die Langzeitarbeitslosigkeit habe sich jedoch verschärft. Als langzeitarbeitslos gelten Personen, die mindestens ein Jahr nach einem Arbeitsplatz su­chen. Deren Anteil an allen Arbeitslosen mit Behinderung stieg von 41,2 Prozent vor der Pandemie auf nunmehr 46,5 Prozent, wie es hieß.

Grund dafür sei „eine Art Rückstau bei den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarkt­politik, von denen insbesondere Langzeitarbeitslose profitieren“. Viele dieser Maßnahmen seien während der Coronazeit ausgefallen, sagte Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Intitute, das das Inklusionsbarometer Arbeit gemeinsam mit der Aktion Mensch erstellt.

Darüber hinaus bestehe bei Unternehmen weiterhin eine zu geringe Bereitschaft, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung anzubieten, so Rürup. Etwa 173.000 Unternehmen in Deutschland sind demnach gesetzlich gehal­ten, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung zu vergeben. 40 Prozent der Un­ternehmen besetzen Arbeitsplätze den Angaben zufolge dementsprechend; 26 Prozent beschäftigen jedoch niemanden mit Behinderung.

Dabei berge die Digitalisierung der Arbeitswelt, die während der Pandemie einen Schub erfahren habe, große Chancen, sagte die Leiterin Aufklärung und Kommunikation der Aktion Mensch, Christina Marx. Sie könne die Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderung erheblich verbessern, etwa durch assistierende Techno­logie, räumliche Flexibilität im Homeoffice oder digitale Barrierefreiheit.

Zudem erklärten 80 Prozent der Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, dass sie keine Leistungsunterschiede zwischen ihnen und Beschäftigten ohne Behinderung wahrnähmen. 89 Prozent der Angestellten mit Behinderung bestätigen ihrerseits, entsprechend ihrer beruflichen Qualifikation eingesetzt zu werden. Trotz zunehmender Personalengpässe würden viele das Potenzial von Arbeitnehmern mit Behinderung ignorieren, kritisierte Rürup.

Große Probleme gibt es laut Analyse, wenn Menschen mit Behinderung ihre Arbeit verlieren. So gelang im Jahr 2021 lediglich drei Prozent die Rückkehr in den Arbeitsmarkt; bei Menschen ohne Behinderung waren es sieben Prozent. Insofern sei der gestiegene Anteil von langzeitarbeitslosen Menschen mit Behinderung alarmierend, sagte Marx: „Dieser Missstand verfestigt sich mehr und mehr.“

Die Bemühungen um Inklusion müssten verstärkt werden, forderte die Expertin. So gebe es eher Bewerbungen von Menschen mit Behinderung, wenn bereits in Stellenausschreibungen auf „gelebte Diversität, flexible Arbeitsmodelle und Unterstützungsmöglichkeiten“ hingewiesen werde.

Auch Bewerbungsverfahren müssten barrierefrei ablaufen. Von der Politik forderte Rürup, die Schaffung von Barrierefreiheit in Unternehmen zu unterstützen, „und zwar in physischer wie digitaler Hinsicht“.

kna/afp

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