Medizinforschungsgesetz: Akademische Forschung bislang unberücksichtigt

Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) kritisierte heute das geplante Medizinforschungsgesetz (MFG) als „reines Gesetz für die Pharmaindustrie“. Zwar sei zu begrüßen, dass mit dem Gesetz der Forschungsstandort Deutschland gestärkt werden solle. „Aber wir vermissen uns“, sagte Andreas Hochhaus, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, heute auf der DGHO-Frühjahrstagung.
Die Wertigkeit der traditionsreichen akademischen klinischen Forschung in Deutschland werde in dem MFG-Entwurf bislang komplett ignoriert. Gleiches gelte für die vielen versorgungsnahen spezialisierten Studiengruppen in Deutschland. „Am Fuße des Leuchtturms ist es dunkel“, bedauerte er.
„Akademische Studiengruppen und wissenschaftsgetriebene Studien sind die Grundpfeiler der modernen evidenzbasierten Medizin und eine Voraussetzung für den Transfer von innovativen Therapien in die Versorgung“, erklärte der Direktor der Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie am Universitätsklinikum Jena. Dies belegten nachdrücklich und eindrucksvoll Therapieoptimierungsstudien und Investigator-initiierte Studien. Sie hätten den Weg für die Fortschritte in der Behandlung vieler Blut- und Krebserkrankungen geebnet. Als Beispiel nannte Hochhaus die akute lymphatische Leukämie. Die inzwischen höheren Heilungsraten beruhten vor allem auf Therapieoptimierungsstudien.
Trotz der Bedeutung, die klinische Studien hätten, seien die Rahmenbedingungen für die akademische klinische Forschung nicht optimal, kritisierte die DGHO-Vorsitzende Claudia Baldus. „Viele Auflagen machen uns das Leben schwer“, sagte sie. Dies wirke sich schon jetzt deutlich auf den internationalen Wettbewerb aus. Aus Sicht der DGHO müssen im noch laufenden Gesetzgebungsprozess die Besonderheiten und Chancen von wissenschaftlich initiierten Studien berücksichtigt werden.
Dies sei prinzipiell auch noch möglich, sagte Thomas Müller, Leiter der Abteilung „Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie“ im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Das Gesetz solle im November in Kraft treten. „Wir sehen uns die Änderungsmöglichkeiten an“, versprach er. „Unsere Türen sind offen.“ Deutschland brauche beides: Industriestudien sowie akademische Studien. Man wolle sie nicht gegeneinander ausspielen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Frühjahrstagung war die Krankenhausreform: Auch diese unterstützt die DGHO grundsätzlich, sieht jedoch auch hier Nachbesserungsbedarf. „Die Hämatologie und Medizinische Onkologie ist eines der dynamischsten Fachgebiete in der gesamten Medizin“, sagte Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. „Dies muss mitgedacht werden.“ Die vor mehr als fünf Jahren für die Krankenhausreform in Nordrhein-Westfalen festgelegten Leistungsgruppen seien mittlerweile teilweise nicht mehr aktuell. Innovationen wie die CAR-T-Zelltherapie oder die Gentherapie bei hereditären Hämoglobinopathien seien nicht ausreichend abgebildet. „Hier sind Anpassungen unerlässlich“.
Besorgt zeigte sich die DGHO, dass die Zahl der Liefer- und Versorgungsengpässe bei Krebsmedikamenten im vergangenen Jahr erneut zugenommen habe. Vor allem die Engpässe bei Tamoxifen und Calciumfolinat hätten bei den Patientinnen und Patienten zu großer Verunsicherung geführt. Die Ursachen für Liefer- und Versorgungsengpässe seien vielfältig, erklärte Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Sie reichten von unzureichenden Produktionskapazitäten über gestörte Vertriebswege und hohe Kosten bis zu mangelndem Vertrauen in die bestehenden Versorgungsstrukturen. Mit der Verlängerung der Pflicht zur kontinuierlichen und versorgungsnahen Bevorratung von rabattierten Arzneimitteln für sechs Monate und der Entwicklung eines Frühwarnsystems für drohende, versorgungsrelevante Lieferengpässe seien bereits Regelungen implementiert worden, sagte er.
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