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Krankenhäuser: Mobilität erzeugt die höchsten CO2-Emissionen

  • Montag, 6. Mai 2024
/doidam10, stock.adobe.com
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Berlin – Die meisten Treibhausgasemissionen entstehen in deutschen Krankenhäusern in den Bereichen Mitarbeiter- und Patientenmobilität sowie in der Wäscherei, im Zentrallabor und bei der Abfallentsorgung. Das geht aus dem Projekt „Klimaneutrale Sekundärprozesse im Krankenhaus“ (KlinKe) der Hochschule für Wirt­schaft und Recht Berlin (HWR) hervor, dessen Ergebnisse vor kurzem in Berlin vorgestellt wurden.

Für das Projekt wurden die Treibhausgasemissionen von drei deutschen Krankenhäusern erhoben und nach den Bereichen gegliedert, in denen sie entstanden sind.

Der Klimawandel wird von den Vereinten Nationen als die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit ange­sehen. Ausgelöst wird der Klimawandel durch die Emittierung von Treibhausgasen (THG) wie Kohlendioxid und Methan.

Mit 68 Millionen Tonnen trägt das deutsche Gesundheitswesen etwa sechs Prozent zu den Gesamtemissionen Deutschlands bei, wie eine Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) vor kurzem ergeben hat.

Der 125. Deutsche Ärztetag hat vor diesem Hintergrund an alle Entscheidungsträger im Gesundheitswesen appelliert, die notwendigen Maßnahmen in Angriff zu nehmen, um bis zum Jahr 2030 eine Klimaneutralität für das deutsche Gesundheitswesen zu erreichen.

Emissionen messen

Während es Deutschland in den vergangenen Jahren geschafft hat, seine Treibhausgasemissionen nach und nach zu reduzieren, ist der THG-Fußabdruck der PIK-Analyse zufolge in den Jahren 2008 bis 2019 leicht angestiegen.

Ein Grund dafür ist, dass viele Krankenhäuser in Deutschland schlecht gedämmt sind und sie von den Bundesländern in den vergangenen Jahren nicht ausreichend Investitionsmittel erhalten haben, um in die Reduktion von THG-Emissionen zu investieren.

Der erste Schritt, um die eigenen Emissionen zu reduzieren ist, sie zu messen. „Nur wenige deutsche Krankenhäuser bilanzieren derzeit aber ihre Treibhausgasemissionen“, erklärte Silke Bustamante von der HWR, eine der Leiterinnen des Projekts KlinKe.

Und die, die es tun, machten es alle ein bisschen anders. „Es gibt keine gängige Praxis für das Messen der Treibhausgasemissionen. Das erschwert die Vergleichbarkeit der Daten“, sagte Bustamante. Es sei deshalb wichtig, hier klare Vorgaben zu treffen.

Viele Daten liegen nicht vor

Treibhausgase werden grundsätzlich in den Scopes 1, 2 und 3 gemessen. Scope 1 umfasst die direkte Freisetzung von Treibhausgasen im Krankenhaus, zum Beispiel bei der Verbrennung von Erdgas. Im Scope 2 werden die Emissionen aus eingekaufter Energie wie Strom oder Fernwärme zusammengefasst.

Die meisten Emissionen von Krankenhäusern – laut PIK-Analyse etwa 80 Prozent – stammen allerdings aus dem Scope 3, der alle weiteren, externen Emissionen umfasst, zum Beispiel die Emissionen, die bei der Produktion und dem Transport von Arzneimitteln und Medizinprodukten entstehen, die im Krankenhaus verbraucht werden.

Viele Daten insbesondere aus dem Scope 3 liegen derzeit nicht vor. Ein großer Teil des Projekts KlinKe bestand deshalb darin, die benötigten Daten zu erheben beziehungsweise zu schätzen. „Verkompliziert wird das Messen der Emissionen zudem, weil die Krankenhäuser manche Leistungen an einen Dienstleister oder eine Tochtergesellschaft ausgelagert haben“, so Bustamante.

Mobilität, Wäscherei und Zentrallabor

Für das Projekt wurden sechs Bereiche im Krankenhaus identifiziert, in denen Treibhausgase entstehen: die Reinigungs- und Hygienedienste, die klinischen Versorgungsdienste, die Klinikverwaltung und Logistik, die Verpflegungs- und Veranstaltungsdienste, die Supportleistungen und die Instandhaltung der Gebäudetechnik.

Innerhalb dieser Bereiche wurden 40 Prozesse benannt, im Bereich klinische Versorgungsdienste zum Beispiel die Prozesse Zentrale Bettenaufbereitung, Wäscherei, Apotheke, Zentrallabor und Zentralarchiv.

In der Auswertung hat sich gezeigt, dass die meisten THG-Emissionen in einem Krankenhaus durch die Mobilität der Mitarbeitenden sowie der Patientinnen und Patienten entstehen – durch deren An- und Abreise mit Autos also, die durch fossile Kraftstoffe angetrieben werden.

Es folgen die Wäscherei, das Zentrallabor, die Abfallentsorgung, die Speisenversorgung und die Sterilgutauf­be­reitung. In der Wäscherei sorgt der Energieverbrauch für hohe Emissionen, im Zentrallabor die dort durch­geführten Tests, bei der Speisenversorgung vor allem das angebotene rote Fleisch.

Das Projekt KlinKe benennt auch konkrete Optimierungsansätze, die die Krankenhäuser umsetzen können, um ihren THG-Abdruck zu senken. An erster Stelle steht, Anreize für die Mitarbeitenden zu setzen, um mit einem klimafreundlichen Verkehrsmittel zur Arbeit zu kommen – zum Beispiel durch das Zurverfügungstellen von E-Bikes.

Im Bereich Wäscherei könnten die Krankenhäuser auf alternative Textilien umstellen: auf ein Tencel-Polyester-Gemisch statt einem Polyester-Baumwoll-Gemisch, zum Beispiel. Tencel ist eine Faser, die auf Holz basiert. Für die Herstellung wird unter anderem deutlich weniger Wasser benötigt als für die Herstellung von Baumwolle. Zudem könnten die Krankenhäuser beim Transport der Wäsche zur Wäscherei und zurück auf klimafreundliche Verkehrsmittel zurückgreifen wie elektrische LKWs.

Bei der Vergabe von Dienstleistungen könnten Krankenhäuser zudem Nachhaltigkeitskriterien mit in die Verträge aufnehmen. Bisher sei die Vergabe preisdominiert, so die HWR.

Weglassen von Leistungen mit unklarem Nutzen

KlinKe läuft noch bis zum 31. August 2024. Ergebnisse des Projekts sollen in den Treibhausgasrechner des Kompetenzzentrums für klimaresiliente Medizin und Gesundheitseinrichtungen (KliMeG) übernommen werden, mit dem Krankenhäuser ihre THG-Emissionen errechnen können, wie KliMeG-Geschäftsführer Matthias Albrecht erklärte.

Auch Albrecht betonte angesichts der Gefahr durch den Klimawandel für die menschliche Gesundheit die Verantwortung, die die Akteure des Gesundheitswesens für die Reduktion der THG-Emissionen hätten. Für Vieles benötige man dabei keine Investitionen, zum Beispiel für das Weglassen von Leistungen mit einem unklaren Nutzen oder für das Nichtverordnen von Arzneimitteln, die die Patientinnen und Patienten nicht benötigen.

„Das deutsche Gesundheitswesen kann klimaneutral werden“, sagte Albrecht. „Allerdings passiert zurzeit noch zu wenig und was passiert, geschieht zu langsam.“ Die Krankenhäuser rief er dazu auf, mehr Klimaschutz auch als Chance auf dem Arbeitsmarkt zu sehen. Denn viele junge Fachkräfte wählten ihren Arbeitgeber heute auch danach aus, wie sehr er sich im Klimaschutz engagiere.

fos

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