Vier Länder drängen auf Nothilfeprogramm für Krankenhäuser vom Bund

Berlin – Mit einer gemeinsamen Bundesratsinitiative drängen die vier Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt beim Bund auf eine Art Soforthilfeprogramm für Krankenhäuser zur Sicherung aktueller und künftiger inflations- und tarifbedingter Kostensteigerungen.
„Unsere Krankenhäuser sind in einer schwierigen finanziellen Situation“, sagte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) heute nach der Kabinettssitzung der NRW-Landesregierung. In NRW habe es bereits neun Krankenhausinsolvenzen gegeben. Weitere könnten aufgrund des hohen Kostendrucks aufgrund der Inflation nicht ausgeschlossen werden, sagte Laumann.
Er erinnerte daran, dass die aktuelle Situation auf gestiegene Betriebskosten zurückzuführen sei. Diese lägen aber in der Verantwortung der gesetzlichen (GKV) und privaten (PKV) Krankenversicherung und damit des Bundes. „Jede Krankenhausinsolvenz wird auf das politische Konto der Ampel gehen“, betonte Laumann und forderte finanzielle Unterstützung trotz der aktuell schwierigen Haushaltslage des Bundes.
Er erklärte, dass die SPD-Fraktion als größte Oppositionspartei im NRW-Landtag ebenfalls für den Bundesratsantrag gestimmt hätte. Auch Mitunterzeichnerin und Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne ist Sozialdemokratin und damit Parteikollegin von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Laumann plädierte erneut auf eine Refinanzierung der Tariflohnsteigerungen durch den Bund. Diese Forderung hatte er bereits vergangene Woche auf dem Deutschen Krankenhaustag aufgestellt. Der Entschließungsantrag fordert eine Übernahme der Refinanzierung für die Berufsgruppen, die außerhalb des Pflegebudgets zu finanzieren sind, ab dem Jahr 2024.
Erhöhung des Landesbasifallwertes um vier Prozent gefordert
Zudem sei der Landesbasisfallwert in Nordrhein-Westfalen, anhand dessen die diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) im Krankenhaus berechnet werden, in den vergangenen Jahren zu wenig erhöht worden, bemängelte Laumann.
Der Entschließungsantrag verlangt nun eine rückwirkende einmalige Erhöhung des Landesbasisfallwertes um vier Prozent für die Jahre 2022 und 2023, „um die Refinanzierungslücke für die Jahre 2022 und 2023 zu schließen“. Der Bund habe festzulegen, ob die dadurch entstehenden Mehrkosten durch die GKV oder unter dem Aspekt der Beitragsstabilität durch Bundesmittel aufzubringen seien, heißt es weiter.
Außerdem setzen sich die vier Länder dafür ein, dass die aktuelle Übergangsregelung zur Zahlungsfrist von Krankenhausrechnungen, die coronabedingt statt 30 Tage derzeit lediglich fünf Tage beträgt, zur Liquiditätssicherung zu verstetigen. Ein aktueller Verordnungsentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht derzeit eine Verlängerung dieser kürzeren Zahlungsfrist um ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember 2024 vor.
Darüber hinaus erneuert der Antrag die altbekannte Forderung der Bundsländer nach einem Vorschaltgesetz zur Krankenhausreform, das eine kurzfristige Finanzspritze für finanziell in Schieflage geratene Krankenhäuser ermöglichen soll. Dieses „Nothilfeprogramm“ solle in Höhe von fünf Milliarden Euro aufgelegt werden, lautet die Forderung an den Bund.
Vonseiten der Bundesregierung hieß es allerdings in den vergangenen Wochen bereits häufiger, dass es kein solches Vorschaltgesetz geben werde – als Hauptgrund wurden mangelnde Haushaltsmittel genannt. Minister Lauterbach verwies immer wieder auf bereits bestehende Hilfen des Bundes, insbesondere die Energiehilfen von rund sechs Milliarden Euro sowie die schneller ausgezahlten Mindererlöse in der Pflege.
Der Antrag ruft den Bund darüber hinaus dazu auf, die Systematik zur Berechnung des Orientierungswertes und des Veränderungswertes im Rahmen der geplanten Krankenhausreform zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass die durchschnittlichen Sach- und Personalkostensteigerungen jährlich vollständig abgebildet werden.
Wirkung der Krankenhausreform entfalte Wirkung erst in einigen Jahren
„Zahlreiche Krankenhäuser, darunter drei in Schleswig-Holstein, mussten bereits Insolvenz anmelden. Weitere sind bedroht“, betonte heute auch Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU), die den Antrag mitinitiiert hat und plädierte deshalb schnelle und wirksame Unterstützungsmaßnahmen.
„Dass der Bundesgesundheitsminister auf die angekündigte Krankenhausreform verweist, hilft dabei nicht. Denn diese würde ihre Wirkung erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts entfalten, so von der Decken. „Hierauf können wir nicht warten.“ Darin seien sich die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder einig.
Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU), betonte ebenfalls: „Die Bundesregierung muss sich jetzt klar dazu bekennen, die Krankenhäuser finanziell zu stabilisieren. Denn wegen der rasant gestiegenen Betriebskosten haben viele Kliniken große Schwierigkeiten. Das darf die Bundesregierung nicht länger ignorieren.“ Die Leidtragenden eines kalten Strukturwandels wären vor allem die Patientinnen und Patienten, so Gerlach.
Der Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), Ingo Morell, zeigte sich dankbar für den Antrag der vier Länder. Es sei ein „enormes Hoffnungszeichen“, dass sich etwas in der Krankenhausfinanzierung in der angespannten wirtschaftlichen Lage bewege. Morell zeigte sich erstaunt darüber, wie die Ampelregierung und Lauterbach diese Situation „billigend in Kauf nehme“. Die Forderungen der Krankenhäuser stießen zunehmend auf Ignoranz in Berlin, kritisierte Morell und fürchtete um die Daseinsvorsorge der Bevölkerung.
Über den Antrag wird der Bundesrat am kommenden Freitag entscheiden. Minister Laumann geht davon aus, dass der Antrag eine Mehrheit im Länderparlament finden wird. Ebenfalls am Freitag wird auch über das Krankenhaustransparenzgesetz im Bundesrat abgestimmt. Zur Debatte steht, ob der Vermittlungsausschuss angerufen wird, um Änderungen im Gesetz anzuregen.
Die Bundesländer hatten in den vergangenen Wochen immer wieder Kritik an diesem Gesetz geäußert. Geplant ist ein Onlineportal mit einer Übersicht über die Krankenhauslandschaft und jeweilige Leistungen der einzelnen Kliniken. Der Bundestag hat das Gesetz im Oktober verabschiedet. Es gilt als erster Baustein der geplanten großen Krankenhausreform.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte die Initiative der vier Länder. „Die Inflation zwingt die Krankenhäuser in die Knie, die Zahl der Insolvenzen steigt, und der Bundesgesundheitsminister schaut dieser Entwicklung tatenlos zu“, erklärte DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß. „Die Politik und hier vor allem der Bund müssen durch aktives Handeln dem Eindruck entgegentreten, dass der wirtschaftlich bedingte kalte Strukturwandel geplanter Bestandteil der Krankenhausreform ist.“ Insbesondere die geforderten fünf Milliarden Euro als auch die Refinanzierung der Tariflohnsteigerungen begrüßte Gaß.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: