Kabinettsbeschluss zum Versorgungsgesetz: Enttäuschte Reaktionen

Berlin – Mit den heute im Kabinett verabschiedeten Regelungen des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) will die Regierung die ambulante Versorgung verbessern. Die Pläne haben allerdings verhaltene bis kritische Reaktionen ausgelöst. Während die Krankenkassen vor Zusatzkosten warnen, gehen die Maßnahmen ärztlichen Verbänden nicht weit genug.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßte, dass mit dem Gesetz die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung umgesetzt werden soll. Gleichzeitig kritisiert der Verband, dass zentrale Reformvorhaben kurzfristig gestrichen worden sind.
„Zwar sieht der Entwurf nach wie vor spürbare Verbesserungen für die Hausarztpraxen vor, der große Wurf ist das Gesetz nach den letzten Streichungen aber nicht mehr“, sagte Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. Insbesondere die Streichung des HzV-Bonus sei aus versorgungspolitischer Sicht nicht nachzuvollziehen. Er wäre die Chance gewesen, das Thema Patientensteuerung voranzutreiben.
Die Entbudgetierung allein werde nicht reichen, um „das Ruder rumzureißen“, warnte Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. Dafür seien die Probleme nach Jahrzehnten des Nichtstuns zu groß. „Während alle Expertinnen und Experten, inklusive des Sachverständigenrates, sich darüber einig sind, dass es unbedingt eine bessere Patientensteuerung braucht, ignoriert das GVSG dieses Thema komplett“, so Beier. Insbesondere die FDP stehe seit Monaten auf der Reformbremse.
Zudem mahnten die Hausärzte weitere Nachbesserungen bei der Vorhalte- sowie der Quartalspauschale an. „Zwar sind einige Böcke wie die Samstagssprechstunden abgeräumt worden, dafür hat man an anderer Stelle wieder neue gebaut. Das sind extrem komplexe Vorhaben, die im weiteren parlamentarischen Verfahren kritisch begleitet werden müssen, damit in den Praxen auch wirklich das ankommt, was der Gesetzgeber intendiert hat“, sagte Beier.
Krankenkassen üben Kritik
Der GKV-Spitzenverband warnte, das GVSG werde deutlich höhere Kosten für die Beitragszahler bewirken, aber im Gegenzug keine „nennenswerten Versorgungsverbesserungen“. „Die Gesundheitsversorgung für GKV-Versicherte weiter zu stärken, ist ein richtiger und notwendiger Schritt“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes.
Dieses Ziel werde mit dem GVSG jedoch vereitelt, da durch die vorgesehene Entbudgetierung künftig weniger Anreize bestünden, ärztliche Praxen in ländlichen Räumen zu führen. Die Budgetierung habe sich als Steuerungsinstrument gerade im Bereich der hausärztlichen Versorgung bewährt, um bedarfsnotwendige Praxen besser zu honorieren.
„Mit der Vorhalte- und Versorgungspauschale erwarten wir eine verbesserte Qualität in der hausärztlichen Versorgung für unsere GKV-Versicherten“, sagte Stoff-Ahnis weiter. Man empfehle aber dringend, die Einführung der Versorgungspauschale mit einem Qualitätsmonitoring zu begleiten.
Ähnliche Kritik äußerten sich auch der AOK-Bundesverband und der Verband der Ersatzkassen (vdek). „Bisher ist das GVSG ein Gesetz der verpassten Chancen. Daran hat sich auch mit der heute beschlossenen Kabinettsfassung nichts geändert. Es bleibt in erster Linie ein Vergütungssteigerungsgesetz für Hausärztinnen und Hausärzte“, sagte Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands.
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, betonte, man brauche „effizientere Strukturen und nicht nur Vergütungserhöhungen“. Die Bundestagsabgeordneten seien nun im weiteren politischen Verfahren dringend gefordert, Nachbesserungen an dem Gesetz vorzunehmen, die zu einer besseren Versorgung der Versicherten gerade in strukturschwachen Regionen führen. „Dazu gehören eine bessere Vernetzung, Digitalisierung und mehr und schnellere Arzttermine für die Patientinnen und Patienten.“
KBV mahnt bessere finanzielle Ausstattung an
Die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner, erklärten, die Vorschläge und Hinweise der KBV seien teilweise aufgegriffen worden. Man könne „keine Entwarnung, aber immerhin einen in Teilen etwas positiveren Ausblick“ geben.
Es fehle aber immer noch die „grundsätzliche und entscheidende Aussage, dass eine Entbudgetierung – wie sie für die hausärztliche Versorgung richtigerweise vorgesehen ist – logischerweise mit einer besseren finanziellen Ausstattung verbunden sein muss“, so der KBV-Vorstand.
Positiv zu bewerten sei, dass die vorgesehenen Chroniker- und Vorhaltepauschalen nun teilweise von „bürokratischem Ballast und verpflichtenden Voraussetzungen“ befreit worden seien.
Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) kritisierte den Kabinettsbeschluss zum GVSG ebenfalls. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa, sagte, das Gesetz lasse „weiterhin offen, wie eine gute, nach Möglichkeit digitale, Steuerung zwischen der haus- und fachärztlichen Versorgung erfolgen kann“.
Ein schneller Termin beim Hausarzt oder der Hausärztin sei gut, bringe aber keinen versorgungspolitischen Vorteil für die Versicherten, wenn diese anschließend keinen fachärztlichen Termin zur Weiterbehandlung und Diagnostik erhalten.
Hier sehe man Nachholbedarf und habe entsprechende Vorschläge unterbreitet – die aber bislang leider unberücksichtigt geblieben seien. So sei auch eine Befreiung der weiteren Fachgruppen von der Budgetierung notwendig, um das Versorgungsgeschehen miteinander verzahnen zu können, so Heinrich.
Die Koalitionspartner FDP und Grüne begrüßten das Vorhaben Lauterbachs. Christine Aschenberg-Dugnus, die Parlamentarische Geschäftsführerin und Gesundheitsexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, hob die Verbesserung des Zugangs von Kindern und Jugendlichen zu Psychotherapie hervor. Diese sei „überfällig“.
Von „einem ersten Schritt für die Modernisierungsreform der ambulanten Gesundheitsversorgung“ sprach Armin Grau (Grüne), Obmann im Gesundheitsausschuss und Berichterstatter für integrierte Versorgung im Gesundheitswesen. Er betonte aber zugleich, dass im parlamentarischen Verfahren „wichtige Reformaspekte“, die in ersten Entwürfen enthalten waren, erneut auf die Tagesordnung müssten.
Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, betonte, die Entbudgetierung werde den Hausarztberuf attraktiver machen. „Auch bin ich sehr froh, dass der Zugang zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung erleichtert und es in Zukunft mehr psychotherapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche geben wird.“
Scharfe Kritik äußerten hingegen die Diakonie und das Deutsche Rote Kreuz (DRK). „Wir verpassen die Chance, unser ambulantes Gesundheitssystem so weiterzuentwickeln, dass alle Menschen Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung haben“, erklärte Diakonie-Vorständin Maria Loheide. Wichtige Bausteine wie die Kioske seien aus dem Gesetz gestrichen worden.
Lohheide appellierte an die Bundestagsabgeordneten, „das Gesetz so nicht passieren zu lassen, sondern sich dafür einzusetzen, dass diese Vorhaben wieder in den Gesetzentwurf aufgenommen werden“. Das ,Stärkungsgesetz' im Namen sei „reine Verpackung“, kritisierte Joß Steinke vom DRK. Er bemängelte ebenfalls das Fehlen unter anderem der Gesundheitskioske.
Das Gesetz sei „eine vertane Chance, die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf Vordermann zu bringen“, kommentierte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, den Kabinettsbeschluss.
„Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz wird seinem Namen kaum noch gerecht. Es ist ein mittlerweile vollkommen entkerntes Gesetz, denn aus dem ursprünglichen Referentenentwurf wurden zahlreiche Passagen ersatzlos gestrichen: von den groß angekündigten Gesundheitskiosken bis zu den zusätzlichen Medizinstudienplätzen“, sagte Sorge. Viele der Streichungen seien darauf zurückzuführen, dass die Ampel-Koalition kein Konzept für eine zukunftsfähige Finanzierung des GKV-Systems habe.
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