Politik

Medizin­forschungsgesetz soll klinische Studien beschleunigen

  • Freitag, 1. Dezember 2023
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, spricht bei einer Pressekonferenz über die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland./picture alliance, Carsten Koall
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, spricht bei einer Pressekonferenz über die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland./picture alliance, Carsten Koall

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat heute in Berlin die Pharmastrategie der Bundesregierung vorgestellt. Zentrales Vorhaben ist ein Medizinforschungsgesetz, das die Bedingungen zur Durchführung klinischer Studien verbessern soll.

„Wir haben eine sehr gute Grundlagenforschung, aus der aber zu wenige Patente und noch weniger Produktion hervorgehen“, erklärte Lauterbach. Als Folge habe der Standort Deutschland in den vergangenen 20 Jahren im internationalen Vergleich deutlich an Attraktivität verloren und sei kontinuierlich zurückgefallen. Großbritannien beispielsweise sei bei der Grundlagenforschung auf Augenhöhe mit Deutschland, melde allerdings bedeutend mehr Patente an. „Wir sind nun in einer Aufholjagd, die wir schon vor Jahren hätten beginnen müssen.“

Hinzu kommt die zunehmende Abhängigkeit von fragilen Lieferketten. Erfolgten im Jahr 2000 noch rund 30 Prozent der Wirkstoffproduktion zugelassener Arzneimittel in Asien, waren es 2020 bereits über 60 Prozent. Es müsse also auch Produktion zurück nach Europa geholt werden.

Doch die Problemstellung ist allerdings komplex und notwendige Neuregelungen liegen nicht nur in der Zuständigkeit des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), sondern bedürfen der engen Koordinierung mit anderen Ministerien von Wirtschaft über Forschung bis Finanzen.

Die Pharmastrategie der Bundesregierung soll deren Vorhaben zusammenführen. Einiges davon befindet sich bereits in Gesetzgebungsverfahren – beispielsweise die Verbesserung des Datenzugangs für Forschung und Entwicklung durch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz.

An anderer Stelle wiederum sollen bereits verabschiedete Gesetze wie das Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) ergänzt werden. So sollen beispielsweise dessen Neuregelungen bei Rabattverträgen zur Stärkung der EU-Produktion von Antibiotika auf andere Arzneimittel, speziell onkologische, ausgeweitet werden.

Um den deutschen Markt für Pharmaunternehmen attraktiver zu machen, sollen zudem künftig sogenannte „vertrauliche Erstattungsbeträge“ ermöglicht werden, die anders als die öffentlich gelisteten nicht einsehbar sind.

Deutschland sei eines der letzten Länder in Europa, das noch sämtliche Erstattungsbeträge öffentlich macht, was dazu beitrage, den Preis zu drücken. Mit der geplanten Neuregelung sei er auf ein Anliegen der Pharmaindustrie eingegangen, erklärte Lauterbach.

Er hatte sich gestern mit Vertretern der Pharmaindustrie zu einem Gipfel getroffen, auf denen die Maßnahmen diskutiert wurden. Lauterbach unterstrich erneut, dass er sich zu solchen Gesprächen mittlerweile verstärkt mit den Herstellern selbst treffe – das sei ertragreicher als die Gespräche mit den Verbänden. Die von ihm vorgesehenen Maßnahmen seien von den Herstellern einhellig begrüßt worden, sagte er.

Dazu gehört laut Strategie auch ein Bürokratieabbau bei der Beantragung von Produktionen sowie die Prüfung von Investitionsbezuschussungen für Produktionsstätten und Zuschüssen zur Gewährung der Versorgungssicherheit.

Gesetzentwurf demnächst im Kabinett

Weiter als mit diesen Ergänzungen ist das BMG bei seinem Entwurf für ein Medizinforschungsgesetz. Dieser sei bereits fertig und werde demnächst zur Abstimmung ins Kabinett gehen, erklärte Lauterbach heute. Er hoffe auf ein Inkrafttreten im Frühjahr oder Sommer.

Ziel des Gesetzes ist vor allem eine Optimierung und Beschleunigung von klinischen Studien durch den Abbau jener Hürden, die deren Durchführung erschweren. So sollen die Bearbeitungszeiten von Anträgen verkürzt werden: Die Bewertung soll künftig innerhalb von 26 Tagen erfolgen, die Entscheidung in fünf Tagen. Für die Industrie wäre das demnach ein Zeitgewinn von bis zu 19 Tagen.

Die strahlenschutzrechtlichen Anzeige- und Genehmigungsverfahren sollen mit verkürzten Fristen in das Genehmigungsverfahren der klinischen Prüfung integriert werden. Ergeht innerhalb der verkürzten Fristen kein Bescheid, soll eine Genehmigungsfiktion greifen.

Das BMG werde zudem praxistaugliche Mustervertragsklauseln für die Verträge zwischen Sponsoren, Prüfzentren und gegebenenfalls Dritten veröffentlichen sowie dezentrale klinische Prüfungen regulatorisch ermöglichen. Der Sondervertriebsweg für Arzneimittel, die in klinischen Prüfungen abgegeben werden, soll um die direkte Arzneimittelabgabe an Prüfungsteilnehmer erweitert werden.

Reformen stehen auch dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bevor: Deren Zuständigkeitsverteilung sei komplex und führe deshalb oft zu Verzögerungen.

Künftig soll deshalb das BfArM die Koordinierung und das Management von Zulassungsverfahren und Anträge für alle Arzneimittel – ausgenommen Impfstoffe und Blutprodukte – übernehmen. Es soll zentraler Ansprechpartner für die Unternehmen werden und die Verfahren von Datenbereitstellung über das Forschungsdatenzentrum bis zum Ethikvotum koordinieren.

„Das Beantragen von klinischen Studien wird zukünftig an einer Stelle möglich sein, beim BfArM. Der ganze Prozess wird deutlich beschleunigt und vereinfacht“, betonte Lauterbach.

Es soll eine Steuerungsgruppe unter Leitung des BMG eingerichtet werden, die Prozesse steuert, Positionen harmonisiert und im Bedarfsfall strukturelle Maßnahmen vorschlägt. Sie soll aus Mitgliedern aus BMG, BfArM sowie PEI bestehen und später ins BfArM übergehen.

Auch das Ethikvotum soll künftig schneller erfolgen. Trotz der Kritik des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen in der BRD (AKEK) an diesem Vorhaben plant Lauterbach die Errichtung einer Bundes-Ethik-Kommission mit einer Geschäftsstelle beim BfArM.

Sie soll zunächst für dringliche und anspruchsvolle Verfahren wie Plattformstudien oder die erstmalige Erprobung von Arzneimitteln am Menschen zuständig sein. In ihr soll die Fachkompetenz für diese besonderen Studientypen gebündelt und parallel die Arbeit der bisherigen Ethikkommissionen künftig besser harmonisiert werden.

„Damit haben wir – zusammen mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz – drei ineinander verschränke Gesetze, die den Pharma- und Forschungsstandort Deutschland deutlich verstärken werden“, unterstrich Lauterbach.

lau

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