Politik

Internationalität existenziell wichtig in Krankenhäusern

  • Montag, 22. Januar 2024
/Tof - Photographie, stock.adobe.com
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Berlin – Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist eines der großen Probleme in Deutschland – in der Branche ist klar, dass es ohne ausländische Expertise nicht gehen wird. Das betonen in diesen Tagen immer mehr Verbände und Organisationen. Sie stellen sich damit auch explizit gegen Rechtsextremismus.

Internationalität sei existenziell wichtig in deutschen Krankenhäusern, sagte Jens Scholz, Vorsitzender des Verband der Universitätsklinika in Deutschland (VUD) und Vorstandschef des Universitätsklinikums Schles­wig-Holstein, heute der Welt.

Allein im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein arbeiteten mehr als 1.000 Men­schen aus 120 Nationen. Auch in der Forschung lebe man vom wissenschaftlichen Austausch mit anderen Nationen. „Deshalb schlie­ßen wir uns nach der Devise ‚Wehret den Anfängen' den Rufen nach Haltung gegen Rechtsextremismus an.“

Scholz mahnte, es sei Zeit, sich zu Wort zu melden, bevor Rückgänge von Pflegekräften, der Ärzteschaft oder in der Forschung erkennbar wür­den, wenn rechtsextremistische Kräfte weiter zulegten. Bisher seien noch keine Auswirkungen zu spüren, ergänzte er. Doch man müsse sich jetzt klar positionieren, bevor sich Forscher, Ärztinnen und Pflegekräfte überlegen müssten, ob sie noch nach Deutschland kommen wollten.

Am vergangenen Freitag hatte der Dachverband Deutsche Hochschulmedizin einen Aufruf gegen Rechtsex­tremismus veröffentlicht. Dazu gehören der VUD und der Medizini­sche Fakultätentag (MFT). Sie vertreten die Interessen der 36 Universitätsklinika sowie der 39 Medizinischen Fakultäten in Deutschland.

In dem Aufruf heißt es unter anderem: „Wir wollen in einem vielfältigen und weltoffenen Umfeld lehren, for­schen und heilen – ungeachtet ethnischer Herkunft, Nationalität, Geschlecht oder sexueller Identität, Religion oder Weltanschauung.“ In der Universitätsmedizin leisteten Menschen aus mehr als 100 Nationen einen wich­tigen Beitrag in Forschung, Lehre und Krankenversorgung – „sie sind uns willkommen“.

Die Landesärztekammer in Brandenburg rief dazu auf, ausländischen Medizinern ohne Vorurteilen und mit Toleranz zu begegnen. „Ohne ausländische Ärztinnen und Ärzte wäre eine flächendeckende medizinische Versorgung in Brandenburg nicht mehr möglich“, sagte der Präsident der Landesärztekammer Brandenburg, Frank-Ullrich Schulz.

Vergangene Woche hatten sich auch diverse Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen sowie die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) deutlich positioniert.

„Wir schätzen und brauchen unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland. Ihre Expertise bereichert uns und macht unsere Arbeit täglich besser. Sie sind für uns unersetzbar“, sagte zum Beispiel der Präsident der Ärztekammer Berlin, Peter Bobbert. Dem Rechtsextremismus die Stirn zu bieten, sei nicht nur aus menschli­cher Sicht geboten, sondern auch notwendig, um weiterhin die Gesundheitsversorgung in Deutschland und in der Hauptstadt zu gewähr­leisten.

„Wir werden niemals zulassen, dass Erwägungen etwa von Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit oder ethnischer Herkunft zwischen unsere ärztlichen Pflichten und die Patientinnen und Patienten treten werden“, sagte die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Martina Wenker.

In allen Bereichen der Gesundheitsversorgung arbeiten der Kammer zufolge Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Religion oder anderen Identitätsmerkmalen zum Wohl der Patienten zusammen. Diese Diversität bereichere das Gesundheitssystem fachlich und menschlich.

„Auch deshalb stellen wir uns ganz entschieden an die Seite der Proteste – für Vielfalt und Demokratie und gegen jegliche Form der Fremdenfeindlichkeit“, sagte die stellvertretende Präsidentin Marion Charlotte Renneberg.

Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, hatte beim Neujahrsempfang der deutschen Ärzte­schaft klargestellt, dass Pluralis­mus, Toleranz und Kompromissfähigkeit Wesenselemente einer freiheitlichen Demokratie darstellen. Ärztin­nen und Ärzte verurteilten „alle extremistischen politischen Bestrebungen, die diese Wesenselemente auch nur ansatzweise infrage stellen“.

„Gesundheitsversorgung ist auch sozialer Kitt in einer Gesellschaft“, sagte Andreas Gassen, Vorstandsvorsit­zen­­der der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Ein „Kippen“ dieser Versorgung gelte es, auch im Sinne einer stabilen Demokratie, zu verhindern.

„Wir dürfen nicht schweigen, wenn Rechtsextremisten und mit ihnen sympathisierende Gruppierungen planen, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben. Es ist unerträglich, dass solches Gedan­kengut auf fruchtbaren Boden fällt“, sagten Gassen und seine KBV-Vorstandskollegen Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner.

Und weiter: „Wir sprechen an dieser Stelle für alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychothera­peutinnen und Psychotherapeuten, in dem wir uns klar gegen menschenverachtende Gedanken und Pläne positionieren, getreu dem Motto ,Wehret den Anfängen‘! Letztlich geht es auch um den Fortbestand unserer demokratischen Zivilgesellschaft!“

„Die medizinische und pflegerische Versorgung würde ohne Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte mit Migrations­ge­schichte kollabieren“, sagte der Chef der Deutsche Krankenhausge­sellschaft (DKG), Gerald Gaß. Das gelte genauso für den niedergelassenen Bereich, für die Langzeitpflege, für die gesamte soziale Versorgung und letztlich für die gesamte Wirtschaft. Es gebe keinen Bereich in der Wirtschaft und der Gesellschaft, in der es keine Menschen mit Migrationsgeschichte gebe, und keinen Bereich, der ohne sie auskommen könnte.

Hintergrund der zahlreichen Proteste, auch aus dem Gesundheitswesen, sind nicht zuletzt die durch das Re­cherchenetzwerk Correctiv bekannt gewordenen Plänen von Rechtsextre­misten, Menschen mit Migrations­geschichte aus Deutschland zu vertreiben.

kna/may

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