Politik

Krebsmittelbetrug: NRW verschärft Apothekenüberwachung

  • Donnerstag, 17. August 2017
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Bottrop/Düsseldorf – Im Skandal um einen Krebsmittelbetrug einer Bottroper Schwerpunktapotheke hat Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Apothekenüberwachung verschärft. In einem Erlass an die zuständigen Kreise und kreisfreien Städte heißt es, dass bei unangemeldeten Inspektionen insbesondere Personalkontrollen und die Herstellung von Infusions­arzneimitteln berücksichtigt werden müssen. Die Vorgaben sollen eine gleichmäßige Überwachung sicherstellen, teilte Laumann heute in Düsseldorf mit.

„Der Erlass ist ein wichtiger Beitrag für einen noch besseren Gesundheitsschutz der Bevölkerung“, erklärte Laumann. Patienten, die eine medikamentöse Krebstherapie erhielten, müssten darauf vertrauen können, dass sie die richtigen Arzneimittel in der richtigen Zusammensetzung erhalten. Die Behörden sollten daher „von ihren Kontrollrechten umfangreich Gebrauch machen“.

Ärzte in der Informationspflicht

Der Gesundheitsminister verlangt nach den Bottroper Verfehlungen zudem, dass die behandelnden Ärzte ihre Patienten informieren. Wenn die Behörden die Ärzte und Krankenhäuser, die die Medikamente verabreichten, informiert hätten, sei es deren Aufgabe, ihre Patienten zu informieren, sagte er. Für einen Behandler sei es schlicht die Pflicht, dieses zu tun, erklärte er dem NDR-Magazin Panorama und dem Recherchezentrum Correctiv. Laumann will die Adressen der betroffenen Patienten ausfindig machen und dafür sorgen, dass sie informiert werden.

Dem Apotheker aus Bottrop wird vorgeworfen, von Januar 2012 bis zu seiner Festnahme im November 2016 in 61.980 Fällen gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen zu haben. Dabei soll er unter anderem Krebsmittel mit deutlich weniger Wirkstoff als ärztlich verordnet in den Verkehr gebracht haben. Darüber hinaus geht es um eine mögliche Missachtung der vorgeschriebenen Hygiene­regeln.

37 Arztpraxen und Krankenhäuser beliefert

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft sind 37 Arztpraxen und Kliniken in sechs Bundes­ländern betroffen. 32 davon befanden sich in Nordrhein-Westfalen, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen heute bestätigte. Jeweils einen Abnehmer hatte der Apothe­ker demnach in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen und dem Saarland.

Über die Zahl der in den vergangenen fünf Jahren von dem Apotheker belieferten Arztpraxen und Kliniken hatten zuvor Panorama und Correctiv berichtet. Die Zahl der betroffenen Patienten wurde in dem Bericht mit 3.700 angegeben. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft nannte hingegen keine konkrete Zahl. Die Anzahl der Betroffenen bewege sich aber „im niedrigen vierstelligen Bereich“.

Anklage erhoben

Die Staatsanwaltschaft hatte im Juli Anklage gegen den Apotheker erhoben. Er sitzt derzeit wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft und schweigt zu den Vorwürfen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft betonte, es sei schwierig nachzuweisen, ob alle Patienten oder welche von ihnen gestreckte Infusionen aus der Onkologie-Schwer­punkt­apotheke bekamen und ob es Folgen hatte. Zur Frage, ob die Ermittler die Betroffenen hätten informieren müssen, sagte sie: „Die Aufgaben der Staatsanwalt­schaft und der Gesundheitsbehörden sind nicht deckungsgleich.“

Ein möglicher Prozess gegen den Bottroper Apotheker würde vor dem Landgericht Essen stattfinden. Die Gerichtsentscheidung über die Zulassung der 820 Seiten umfassenden Anklageschrift fiel aber noch nicht. Neben den Arzneimittelverstößen legt die Staatsanwaltschaft dem Mann zur Last, mehr als 50.000 Rezepte zu Unrecht abgerechnet zu haben. Dadurch sollen den Krankenkassen rund 56 Millionen Euro Schaden entstanden sein.

In Deutschland versorgen rund 300 Onkologie-Schwerpunktapotheken Patienten nach erfolglosen Standardtherapien individuell mit Medikamenten. Patientenschützer sehen in dem NRW-Erlass einen ersten Schritt. Sie fordern zusätzlich eine Sammlung und stichprobenhafte Prüfung von Medikamentenrückläufern.

In NRW regele dies der neue Erlass bereits, sagte ein Ministeriumssprecher. Es werde vorgegeben, dass die individuell für einzelne Patienten hergestellten, aber nicht angewendeten und deshalb zurückgeschickten Krebsmedikamente für Stichproben zur Verfügung stehen.

afp/dpa

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