Bundesländer fahren Kliniken wieder hoch

Berlin – Nachdem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gestern Vorschläge zur Öffnung von Kliniken für den Normalbetrieb gemacht hat, fahren nun eine ganze Reihe von Bundesländern die Kliniken wieder hoch. Einige Beispiele.
Die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen (NRW) sollten etwa nach Ansicht von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) noch mindestens ein Viertel ihrer Intensivbetten für die Behandlung von COVID-19-Patienten freihalten. Damit folgt er der Empfehlung aus dem BMG. Der Vorschlag sieht vor, dass für COVID-19-Erkrankte zunächst noch 25 statt bisher 50 Prozent der Intensivbetten reserviert werden sollen.
Angesichts der verlangsamten Ausbreitung des Coronavirus könnten die restlichen Kapazitäten wieder für planbare Eingriffe genutzt werden, wobei es dabei Priorisierungen geben müsse, sagte Laumann. Trotz der zuletzt auch in NRW gesunkenen Corona-Ansteckungsrate mahnte er zur Vorsicht. Es sei allen bewusst, dass es sich beim Infektionsgeschehen in Deutschland und NRW um einen „dynamischen Prozess“ handele.
„Das heißt: Wir müssen uns die Entwicklung der Neuinfizierungen und der Reproduktionszahl fortlaufend ganz genau anschauen und entsprechend bewerten.“ Die Krankenhäuser müssten auch weiterhin gewappnet sein, um innerhalb kürzester Zeit wieder auf den „Krisenmodus“ umzustellen, falls die Zahl der COVID-19-Patienten wieder nach oben gehen sollte, sagte Laumann.
Lockerung in Rheinland-Pfalz
Auch Rheinland-Pfalz lockert die Regelungen für Krankenhäuser und erlaubt wieder mehr planbare Behandlungen im normalen Tagesgeschäft. Eine entsprechende Landesverordnung tritt heute in Kraft, wie das Gesundheitsministerium in Mainz mitteilte.
Zum einen sollen dadurch die Wartezeiten auf planbare Eingriffe für die Patienten verringert werden. Zum anderen solle die Auslastung der Krankenhäuser verbessert und die wirtschaftliche Grundlage der Kliniken im Bundesland gestärkt werden, erklärte Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). Die Krankenhäuser müssten aber weiter in der Lage sein, einen möglichen stärkeren Anstieg der COVID-19-Erkrankungen zu bewältigen und insbesondere intensivpflichtige Patienten unmittelbar zu behandeln.
Die Zahl der mit dem neuartigen Coronavirus infizierten Patienten war nach Angaben des Ministeriums zuletzt „relativ gering“. Dadurch blieb ein Großteil der stationären Behandlungskapazitäten ungenutzt. Derzeit sind in Rheinland-Pfalz von 909 ivasiven Beatmungsbetten 64 belegt. Durch das Verschieben von Operationen, um Kapazitäten für Coronapatienten freizuhalten, stehen Betten leer. Damit sind Einnahmenverluste für die Häuser verbunden.
Die Verschiebung nicht so dringender Operationen gehe finanziell nicht zu Lasten der Krankenhäuser, hieß es in Mainz. Das Land habe daher beim Bund seit 16. März Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 160 Millionen Euro beantragt.
Brandenburg will Coronareserve in Krankenhäusern senken
Die Krankenhäuser in Brandenburg sollen ebenfalls bald wieder Operationen und andere Eingriffe vornehmen können. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) kündigte heute in Potsdam eine Empfehlung an die Kliniken an, zurückgestellte Operationen wieder hochzufahren.
Das soll nach einer Prioritätenliste gehen, wie schwer die Konsequenz einer Verschiebung für den jeweiligen Patienten wäre. Rund ein Viertel der Beatmungskapazitäten sollen aber weiter reserviert bleiben, um bei einer Verschlechterung der Lage wieder schnell reagieren zu können. Das sei auch mit der Krankenhausgesellschaft besprochen.
„Es ist uns gelungen, die Aufgabe eine Überlastung unseres Gesundheitswesens zu vermeiden“, sagte Nonnemacher im Gesundheitsausschuss des Landtags. „Wir müssen jetzt aber auch dran denken, inwieweit wir es noch rechtfertigen können, bestimmte Eingriffe bei anderen Patienten etwas zurückzustellen.“
Brandenburg sei bisher „nicht im entferntesten“ an Kapazitätsgrenzen bei der Versorgung schwerer Coronafälle gestoßen. Die Zahl der Krankenhausbetten mit künstlicher Beatmung stieg von 531 Mitte März auf 886.
Kritik vom Marburger Bund
Der Marburger Bund (MB) zeigte sich unterdessen unzufrieden mit dem Konzept des BMG für mehr elektive Operationen in den Krankenhäusern. Es sei frustrierend, dass jetzt schon knappe Ressource im Gesundheitswesen, das pflegerische und ärztliche Personal, im Konzept des BMG faktisch unberücksichtigt blieben, monierte die Erste Vorsitzende des MB, Susanne Johna.
„Wir hätten uns gewünscht, dass das BMG die ohnehin schon starke Belastung des Personals im Regelbetrieb in seine Überlegungen einbezieht. Denn auch der Normalbetrieb vor der Coronakrise war alles andere als normal“, betonte sie weiter.
Nachdem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am 13. März die Krankenhäuser aufgefordert hatte, alle aus medizinischer Sicht nicht dringend notwendigen elektiven Eingriffe zu stoppen, lasse es die derzeitige Entwicklung zu, „ab Mai einen Teil der Krankenhauskapazitäten auch wieder für planbare Operationen zu nutzen“, sagte der Minister gestern.
Laut dem BMG-Konzept „Neuer Klinikalltag“ sollen die Krankenhäuser in Deutschland für COVID-19-Patienten nur noch 25 Prozent der Intensivpflegekapazitäten freihalten und nicht wie bisher 50 Prozent. Auch sollen die OP-Kapazitäten „in einem ersten Schritt“ zu 70 Prozent für Elektiveingriffe geöffnet werden.
„Über diese Vorgabe hinaus sollten die Krankenhäuser in der Lage sein, je nach Pandemieverlauf innerhalb von 72 Stunden weitere Intensiv- und Beatmungskapazitäten zu organisieren“, sagte der Minister. Außerdem soll künftig jeder Patient bei Aufnahme in ein Krankenhaus auf COVID-19 getestet werden.
„Unberücksichtigt dabei bleibt, dass ein Krankenhaus nicht nur ein Ort ist, an dem planbare Operationen stattfinden, sondern auch eine Vielzahl anderer Behandlungen“, sagte Johna.
Das Ministerium habe die gesamte Notfallversorgung, die nicht operative Behandlung Schwerkranker außerhalb der Intensivstationen und auch die diagnostische Abklärung von Patienten unerwähnt gelassen. Wichtig sei zudem, das medizinische und pflegerische Personal sehr viel häufiger auf SARS-CoV-2 zu testen, so Johna.
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