Ärzteschaft

Nachfolgeprobleme und Fachkräftemangel schränken ambulante Versorgung ein

  • Montag, 14. August 2023
/PRPicturesProduction, stock.adobe.com
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Berlin – Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) haben im Vorfeld einer Krisensitzung am 18. August in Berlin auf die großen Probleme von Praxen hingewiesen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Auch die Weitergabe einer Praxis wird immer schwieriger.

Die KVen fordern mehr Wertschätzung für die ambulante Versorgung und einen Ausgleich für die gestiegenen Energiekosten und die Inflation. Ein Hintergrund für die entsprechende Kampagne „Praxenkollaps“ sind die Finanzierungsverhandlungen auf Bundesebene, die am 9. August begonnen haben.

„Der Mangel an Medizinischen Fachangestellten (MFA) und das zu beobachtende sinkende Interesse an einer Niederlassung bereiten uns Sorgen“, erklärte der Vorstand der KV Schleswig-Holstein, Monika Schliffke und Ralph Ennenbach.

Laut der KV Bremen sind es die schlechten Rahmenbedingungen in der ambulanten Medizin, die zu einer Ab­wanderung von MFA führen. Das zeige eine Umfrage der KV unter ihren Mitgliedern. Danach gab fast die Hälf­te der befragten Praxen an, dass ihnen schon MFA aktiv abgeworben worden seien. Knapp ein Viertel der Be­fragten (24,7 Prozent) haben in den vergangenen zwölf Monaten keine freie MFA-Stelle besetzen können.

„Im Wettstreit mit Kliniken, Krankenkassen und anderen großen Medizineinrichtungen um die wenigen Fach­kräfte haben Praxen das Nachsehen“, fassen die Vorstände der KV Bremen – Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans – die Umfrageergebnisse zusammen.

Immer mehr medizinische Fachangestellte (MFA) wanderten in andere Bereiche des Gesundheitswesens wie Kliniken, Krankenkassen und Behörden ab, wo höhere Gehälter gezahlt würden, oder sie wechselten ganz den Beruf, betonte Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der KV Sachsen. Er betonte, viele freie Stellen in den Praxen blieben unbesetzt.

Für Heckemann trägt die desaströse Sparpolitik im Gesundheitswesen zusätzlich zum Fachkräftemangel bei. Um den Betrieb in den Praxen und Medizinischen Versorgungszentren weiterhin aufrechterhalten zu können, seien reduzierte Öffnungszeiten und gegebenenfalls Leistungskürzungen kaum zu vermeiden.

„Viele freie Stellen in den Praxen bleiben unbesetzt“, sagte John Afful, Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg. Die Tätigkeiten der fehlenden MFA müssten durch fach­fremdes Personal oder die Ärztinnen und Ärzte selbst übernommen werden. „Ein weiterer Aspekt: Praxisteams erhalten oft gerade von politischer Seite nicht die ihnen gebührende Wertschätzung – obwohl sich das Berufsbild in den vergangenen Jahren enorm gewandelt hat.“

Die KV Bayerns warnt vor „einer alarmierenden Entwicklung, die die ambulante Patientenversorgung in Bay­ern zunehmend gefährdet“. „Die MFA spielen eine unverzichtbare Rolle in der Patientenbetreuung und sind eine wichtige Stütze für die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen“, betont der Vorstand der KV, das sind Christian Pfeiffer, Peter Heinz und Claudia Ritter-Rupp.

Große Engpässe gibt es auch im Osten des Landes: „Immer mehr MFA wandern in andere Bereiche des Ge­sundheitswesens wie Kliniken, Krankenkassen und Behörden ab, wo höhere Gehälter gezahlt werden, oder wechseln ganz den Beruf“, erklärte der Vorstand der KV Mecklenburg-Vorpommern, das sind Angelika von Schütz, Dieter Kreye und Ulrich Freitag.

„Eine Praxis lässt sich nur im Team betreiben. Der MFA-Mangel führt zu einem eingeschränkten Praxisange­bot, längeren Wartezeiten für Patienten und gefährdet die ambulante Versorgung“, warnte Stefan Roßbach-Kurschat, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der KV Brandenburg.

„Die Politik muss die verantwortungsvolle Arbeit unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Praxen endlich aufwerten, um einen flächendeckenden MFA-Mangel abzuwenden“, forderte daher Annette Rommel, Vorstandsvorsitzende der KV Thüringen.

Die KV Niedersachsen weist daraufhin, dass sich das Berufsbild der MFA in den vergangenen Jahren enorm gewandelt habe – die Aufgaben und Arbeitsinhalte seien vielfältig, ihre Verantwortung hoch. „Diese Weiter­entwicklung der Arbeitsinhalte muss auch finanziell honoriert werden. Ich wiederhole nachdrücklich die Forderungen nach höheren und kassenseitig auch refinanzierten Tarifgehältern“, sagte Thorsten Schmidt, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV.

„Fakt ist: Mit den Gehältern, die den MFA zum Beispiel im stationären Sektor gezahlt werden, können die Niedergelassenen, die die Gehälter aus eigenen Mitteln zahlen müssen, schlichtweg nicht konkurrieren“, er­klärte der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Frank Bergmann. „Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass sich die Bundespolitik der Anerkennung dieser Tatsache nach wie vor so vehement verschließt“, betonte er.

Dieser Fachkräftemangel hat Auswirkungen auf die Patientenversorgung: „Schon heute gibt es in Hessen Praxen, die tageweise schließen, weil sie nicht mehr über ausreichend Personal verfügen“, erläuterte Armin Beck, einer der Vorstandsvorsitzenden der KV Hessen.

Fehlende Wertschätzung bei steigender Verantwortung und zunehmender Arbeitsbelastung beklagt auch die KV Baden-Württemberg. Trotz dieser Rahmenbedingungen möchte sie aber Werbung für den Beruf machen, der echte Karrierechancen biete. „MFA können sich heute vielfältig weiterbilden und beispielsweise beim Praxismanagement, der Patientenversorgung und bei der Durchführung von Hausbesuchen unterstützen“, erläuterte der KV-Vorstandsvorsitzende Karsten Braun.

Aber nicht nur der Mangel bei Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeitern bereitet den KVen Sorgen. „Das Inter­esse an der Niederlassung sinkt. Praxen bleiben ohne Nachfolge, wovon besonders die hausärztliche Versor­gung betroffen ist. Wir gehen davon aus, dass sich die Lage in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird“, heißt es seitens des Vorstands der KV Berlin – das sind Christiane Wessel, Burkhard Ruppert und Günter Scherer.

Ähnlich sieht es die KV Rheinland-Pfalz: „Der schon heute herrschende Ärztemangel wird sich noch weiter verschärfen. In Rheinland-Pfalz sind 43 Prozent der Hausärzteschaft 60 Jahre oder älter“, sagte deren Vor­standsvorsitzender Peter Heinz.

Ebenso Sachsen-Anhalt: „Um den jetzigen Versorgungsstand im Land halten zu können, müssen in den kom­menden Jahren peu à peu mehr als 1.100 Arztstellen nachbesetzt werden“, hieß es aus der KV des Bundeslan­des. Schon jetzt seien aber mehr als 250 Hausarztstellen im Land offen. „Es braucht einfach mehr Ärzte, dazu bedarf es mehr Medizinstudienplätze“, sagte der KV-Vorstandsvorsitzende Jörg Böhme.

„Wir benötigen ein umgehendes Aufwachen der Politik und endlich eine vernünftige Wertschätzung derer, die unser Gesundheitssystem jeden Tag am Leben erhalten: Unsere Praxismannschaften in den Regionen“, sagte Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KV Westfalen-Lippe.

hil

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