Medizin

Grünes Licht für bivalente Vakzine mit BA.1-Komponente von Biontech und Moderna

  • Donnerstag, 1. September 2022
/picture alliance, Robin Utrecht
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Amsterdam – Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat die Zulassung von zwei bivalenten Vakzinen der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna gegen COVID-19 empfohlen. Die neuen Versionen von Comirnaty (Biontech/Pfizer) and Spikevax (Moderna) sind auf die Omikron-Sublinie BA.1. zugeschnitten, die inzwischen durch BA.4 und BA.5 verdrängt wurde. Mit einer zügigen Entscheidung der Europäischen Kommission für eine Zulassung in der EU wird gerechnet.

Während die US-Arzneimittelbehörde FDA es den Herstellern erlaubt hat, die Booster mit einer Komponente gegen BA.4 und BA.5 zu versehen, zu der noch keine klinischen Studienergebnisse vorliegen, erlaubt die EMA vorerst nur eine Komponente gegen BA.1.

Diese ist zwar längst Geschichte, doch die Antikörper, die der Impfstoff produziert, sollten auch den Schutz gegen BA.4 oder BA.5 verbessern, wofür die Ergebnisse aus ersten Laborstudien sprechen. Auch ein Booster mit dem originalen Impfstoff verbessert nach derzeitiger Studienlage die Immunlage gegen BA.4. und BA.5. Infektionen werden zwar weniger gut verhindert. Die Zahl der schweren Erkrankungen ist bei Geimpften je­doch niedrig geblieben.

Die Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) zur bivalenten Comirnaty-Vakzine basiert auf 2 Studien. In der ersten Phase-2/3-Studie hatten mehr als 1.800 Erwachsene über 55 Jahre teilgenommen, die zuvor bereits 3 Dosen Comirnaty (Erstimpfung und eine Auffrischung) erhalten hatten. Die 2. Auffrischung er­folgte dann mit der originalen Vakzine oder (bei etwa 300 Teilnehmern) mit der bivalenten Vakzine.

Nach Auskunft des Herstellers erzielte die bivalente Vakzine etwa 9-fach höhere neutralisierende Antikörper­titer gegen BA.1 als die monovalente Vakzine. In einer zusätzlichen Laborstudie wurde die Wirkung gegen BA.4/BA.5 untersucht. Laut der Pressemitteilung des Herstellers wurden mit der bivalenten Vakzine etwa 4-fach höhere Antikörper-Titer erzielt. Die Immunantwort gegen den ursprünglichen Wuhan-Stamm von SARS-CoV-2 war bei beiden Impfstoffen vergleichbar.

An der zweiten Studie hatten mehr als 600 Personen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren teilgenommen. Auch sie hatten bereits 3 Dosen der ursprünglichen Comirnaty-Vakzine erhalten. In der Studie erhielten sie die 2. Auffrischung mit einem monovalenten Impfstoff, der entweder gegen BA.1 oder (wie im bisherigen Impfstoff) gegen den Wildtyp gerichtet war. Die Immunantwort gegen BA.1 war laut CHMP mit dem auf BA.1 angepass­ten Impfstoff stärker.

Der CHMP geht aufgrund der Ergebnisse davon aus, dass der neue bivalente Impfstoff in beiden Altersgrup­pen eine bessere Wirkung gegen BA.1 erzielt. Der adaptierte Impfstoff Comirnaty enthält 15 µg mRNA der bei­den Komponenten. Die Gesamtdosis von 30 µg entspricht der bisher verwendeten monovalenten Vakzine. Comirnaty ist zugelassen für Personen ab 12 Jahren. Seit der letzten Dosis eines COVID-19-Impfstoffs müssen mindestens 3 Monate vergangen sein.

Die Empfehlung des CHMP zur bivalenten Spikevax-Vakzine von Moderna basiert auf den Daten einer Phase-2/3-Studie, an der mehr als 800 Erwachsene ab 18 Jahren teilnahmen, die bereits eine Grundimmunisierung erhalten hatten. Die Teilnehmer wurden auf einen Booster mit einer monovalenten Vakzine (gegen den Wu­han-Typ) oder einer bivalenten Vakzine randomisiert, die zusätzlich eine Komponente gegen BA.1 enthielt.

Die Studie ergab, dass eine Auffrischungsdosis mit dem bivalenten Spikevax eine stärkere Immunantwort ge­gen den SARS-CoV-2-Stamm und die Omikron-Subvariante BA.1 erzielt als eine Auffrischungsdosis mit dem ursprünglichen Spikevax-Impfstoff.

Nach Auskunft des Herstellers stieg der Antikörpertiter gegen Omikron um etwa das 8-fache der Ausgangs­wer­te. Die bivalente Spikevax erzielte nach den Angaben in der Pressemittei­lung auch höhere neutralisieren­de Antikörpertiter gegen BA.4 und BA.5, unabhängig vom vorherigen Infektionsstatus oder vom Alter, ein­schließlich bei den über 65-Jährigen.

Der adaptierte Impfstoff Spikevax enthält jeweils 25 µg mRNA der beiden Komponenten. Die Gesamtdosis von 50 µg entspricht der Boosterdosis des monovalenten Vakzine für Erwachsene. Spikevax kann bei Erwachsenen und Jugendli­chen ab einem Alter von 12 Jahren mindestens 3 Monate nach der Grundimmunisierung oder einer Auffri­schung mit einem COVID-19-Impfstoff angewendet werden.

Andere angepasste Impfstoffe mit verschiedenen Varianten wie die Omikron-Sublinien BA.4 und BA.5 werden derzeit von der EMA geprüft. Eine Entscheidung wird in den nächsten Wochen erwartet.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat das grüne Licht der EMA als „Quantensprung im Kampf gegen die Pandemie“ bezeichnet. „Jetzt können Impfstoffe eingesetzt werden, die gegen alle bisher bekannten Virus­varianten sehr gut wirken“, sagte der SPD-Politiker. Ab der nächsten Woche könnten Impfungen mit den neuen Impfstoffen beginnen. „Jetzt ist der optimale Zeitpunkt, Impflücken für den Herbst zu schließen.“

Lauterbach erläuterte, dass es mit den beiden angepassten Präparaten zusätzliche Gründe für Coronaimpfun­gen gebe. „Es gibt den Schutz vor schwerer Krankheit und vor Tod, das ist das Wichtigste“, sagte er in der ARD. „Aber wir gehen jetzt auch wieder davon aus, dass Schutz vor Ansteckung zumindest für eine bestimmte Zeit gegeben ist.“ Der Minister kündigte auch eine Informationskampagne dazu an.

Das Bundesgesundheitsministerium erwartet in den nächsten beiden Wochen rund 14 Millionen Dosen der zwei Präparate. Arztpraxen können den neuen Impfstoff laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) bis kom­men­den Dienstag anfordern. Erste Dosen könnten dann voraussichtlich noch am Donnerstag oder Freitag kommen. Die reguläre Belieferung soll am 12. September erfolgen.

Die Vertragsärzte bereiten sich auf zügige Impfungen mit den neuen, fortentwickelten Coronaimpfstoffen vor, dringen aber auch auf eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Die soll nach Angaben von Lauterbach etwa in einer Woche kommen.

„Vorausgesetzt, die Impfstoffe erreichen die Praxen in ausreichender Menge wie zugesagt, werden die nieder­gelassenen Kolleginnen und Kollegen die Impfungen in bewährter Art und Weise rasch durchführen können“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen.

Wichtig sei, dass auch die Ständige Impfkommission ihre aktualisierte Empfehlung abgebe, sagte KBV-Vize Stephan Hofmeister. „Denn sie bildet die wissenschaftliche Richtschnur, nach der sich die Ärztinnen und Ärzte orientieren.“

Die KBV äußerte sich überzeugt, dass im Herbst sowohl Impfungen gegen Corona als auch gegen Grippe rasch in den Praxen durchgeführt werden könnten. Gassen erläuterte, dass sich während der vergangenen Pandemiejahre weit über 70.000 Praxen am Impfen beteiligt hätten. „Das Potenzial im ambulanten Bereich ist also hoch.“

rme/afp/dpa

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